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Physik

Neue Umwandlung von Neutrinos nachgewiesen

Detektor in Japan belegt fliegenden Wechsel von Myon- zu Elektron-Neutrinos

Blick in den Detektor des Super-Kamiokande. Die Photosensoren in den Wänden sollen Lichtblitze der Neutrinos bei Atom-Kollision einfangen. © Super-Kamiokande Collaboration

Indizien dafür gab es schon länger, jetzt haben Physiker es endgültig nachgewiesen: Myon-Neutrinos können sich in eine weitere Sorte, die Elektron-Neutrinos, umwandeln. Dieser Typwechsel geschieht buchstäblich im Flug: Er ereignete sich auf einer knapp 300 Kilometerlangen Strecke zwischen zwei Detektoren in Japan. Dieser Nachweis liefert wertvolle Informationen über das Standardmodell der Physik, aber auch zu der Frage, warum mehr Materie als Antimaterie beim Urknall entstand.

Neutrinos gelten als Geisterteilchen: Weil sie kaum mit anderer Materie wechselwirken, sind sie nur schwer nachzuweisen. Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik existieren aber gleich drei Sorten von Neutrinos: Die Elektron-Neutrinos, die beispielsweise beim radioaktiven Zerfall vorkommen, sowie die Myon- und die Tau-Neutrinos. Schon länger ist bekannt, dass sich Neutrinos quasi auf dem Flug von einer in die andere Sorte umwandeln können. Einen eindeutigen Beleg dafür, dass das auch für Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos klappt, stand aber noch aus.

Myon-Neutrinos losgeschickt, Elektron-Neutrinos empfangen

Erste Indizien dafür hatte schon 2011 die internationale T2K-Kollaboration berichtet. T2K steht für „Tokai to Kamiokande“ und beschreibt schon ganz gut das Experiment: Das Neutrino-Experiment produziert an der Ostküste Japans in Tokai einen hochenergetischen Strahl von Myon-Neutrinos und schießt diesen rund 300 Kilometer durch die japanischen Berge. Dort steht der Neutrino-Detektor Super-Kamiokande, der die Spuren der eintreffenden Teilchen misst. Stellt der Detektor nun fest, dass sich am Ziel mehr Elektron-Neutrinos im Myon-Neutrinostrahl befinden als am Start, zeigt dies, dass unterwegs eine Umwandlung von Myon- zu Elektron-Neutrinos stattfand.

Und genau dies hat das T2K-Experiment nun registriert. Im Experiment wurde zum ersten Mal dieser neue Typ von Neutrino-Oszillationen vom Myon- zum Elektron-Neutrino beobachtet. Die Signifikanz lag dabei bei 1 zu 16 Trillionen, was 7.5 Sigma entspricht. Zum Vergleich: Signifikant genug, um als Entdeckung oder Beleg zu gelten, ist in der Teilchenphysik meist ein Sigma-Wert von 5. Auch die Entdeckung des Higgs-Bosons wurde mit einer Signifikanz von 5 Sigma nachgewiesen.

Wichtig für unser Bild des Kosmos und der Teilchenwelt

„Die Beobachtung dieser sogenannten Neutrino-Oszillationen ist wichtig für unser Verständnis von der Entstehung des Universums“, sagt Antonio Ereditato von der Universität Bern. Eines der größten, noch ungeklärten Rätsel der Wissenschaft sei bis heute, warum beim Urknall mehr Materie als Antimaterie erzeugt wurde. Eine solche Asymmetrie wurde bereits im Bereich der Quarks nachgewiesen, jedoch reicht der Effekt nicht aus, um das Rätsel zu lösen.

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Neutrino-Oszillationen könnten bald wichtige Hinweise über eine ähnliche Asymmetrie liefern und damit das Verständnis über die Entstehung des Universums verbessern. Der nun beobachtete neue Typ von Neutrino-Oszillationen vervollständigt die notwendigen Grundlagen zur Messung der Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie durch Neutrinos. Die Resultate haben auch Auswirkungen auf die allgemeine Physik: „Die Messungen der Umwandlung von Neutrinos in eine andere Neutrino-Art zeigen, dass das Standardmodell der Physik erweitert werden muss“, so Ereditato.

(Universität Bern, 22.07.2013 – NPO)

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