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Technik

Mobilfunknetz als Regenmesser

Schwankungen von Funksignalen ermöglichen Niederschlagsvorhersage

Wo, wann und wie viel regnet es? Das können Forscher mit Daten aus dem Mobilfunknetz bestimmen © Triloks/ iStock.com

Regnet es gerade? Um diese Frage zu beantworten, könnten Meteorologen künftig auf Daten aus dem Mobilfunknetz zurückgreifen. Wissenschaftler haben eine Technik entwickelt, die die Stärke von Funksignalen für die Bestimmung von Niederschlagsmengen nutzt. Der Trick dahinter: Regentropfen schwächen elektromagnetische Wellen und verursachen Strahlungsschwankungen im Mobilfunknetz. Die neue Methode könnte daher nicht nur schnelle, sondern auch flächendeckende Messwerte liefern.

Wie viel hat es innerhalb einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geregnet? Diese Frage beantworten Meteorologen normalerweise mittels Regenradar oder mithilfe von sogenannten Niederschlagstöpfen, die Regenwasser auffangen. Die Messwerte von solchen Stationen erlauben exakte Aussagen über die Regenmenge am jeweiligen Ort. Für eine ganze Region hingegen sind sie nur bedingt aussagekräftig, weil sie die Werte nur punktuell erfassen.

Wissenschaftler um Christian Chwala vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben eine Messmethode entwickelt, die dieses Problem beheben könnte. Ihr Ansatz macht sich ein besonderes physikalisches Phänomen zunutze: die Eigenschaft des Regens, die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen zu dämpfen.

Gedämpftes Signal als Regenindikator

„Regentropfen sind etwa so groß wie die Wellenlänge der Mikrowellenstrahlung der mit einer Frequenz von fünfzehn und 40 Gigahertz betriebenen Richtfunkstrecken von Mobilfunknetzen. Deshalb dämpfen sie die Strahlung in diesem Frequenzbereich stark“, erläutern die Forscher. Je stärker es regnet, desto stärker ist der Leistungsabfall zwischen zwei Antennen. Die Beeinträchtigung des Funksignals könnte deshalb als Indikator für die Regenmenge dienen, so die Idee.

Handynutzer bemerken von dieser Beeinträchtigung des Funksignals in der Regel zwar wenig. Allenfalls bei extremem Starkregen kann die Strahlung so sehr gedämpft sein, dass die Kommunikation zwischen den Mobilfunkmasten aussetzt und die Telefonverbindung abbricht. Den Forschern aber genügen schon geringe Schwankungen, um anhand der Dämpfungsraten zwischen den Antennen Informationen über Regenfälle abzuleiten.

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Erfolgreicher Praxistest

Strahlungsschwankungen zwischen Sendemasten liefern Informationen über Regenfälle © Christian Chwala

Zu diesem Zweck haben Chwala und seine Kollegen eine spezielle Software entwickelt, an der sie seit 2010 arbeiten. Im südlichen Bayern musste die neue Technik nun einen ersten Praxistest bestehen. Die Software wertete Daten von 450 Richtfunkstrecken aus, die ihr über das Rechenzentrum eines Mobilfunknetzbetreibers zur Verfügung gestellt wurden – und suchte dabei nach auffälligen Leistungsschwankungen.

Die Ergebnisse sind vielversprechend: Die Empfindlichkeit des Messverfahrens ist genauso hoch wie bei der klassischen Methode mit Niederschlagstöpfen. „Die Nachweisgrenze liegt bei einer Regenrate von einem Millimeter pro Stunde, und die Daten liegen mit einer Zeitverzögerung von nur einer Minute vor“, sagt Chwala.

Chance für Länder mit wenigen Wetterstationen

Neben der Schnelligkeit überzeugt die Methode auch in einem weiteren Punkt: Weil das Netz der Mobilfunkmasten hierzulande eng geknüpft ist, wird eine höhere regionale Abdeckung mit Messungen möglich: „Deutschlandweit gibt es etwa 1.000 Messstellen für Niederschlag, aber schätzungsweise 100.000 Richtfunkstrecken, die sich theoretisch in den Messprozess einbeziehen ließen“, erläutert das Team um Chwala. Vor Hochwasser in Bergregionen könnte mithilfe der neuen Messtechnik schneller gewarnt werden.

„Die Methode birgt aber vor allem großes Potenzial für Länder, in denen es nur wenige oder gar keine Wetterstationen oder Regenradargeräte gibt, jedoch ein dichtes Mobilfunknetz zur Verfügung steht“, betonen die Forscher. Beispielsweise in Regionen wie West-Afrika könnte die Messmethode dazu beitragen, genauere Niederschlagsinformation zu erhalten, um die für das Wassermanagement dringend notwendigen Vorhersagemodelle zu verbessern. Einen Nachteil hat die neue Technik dann aber doch: Wegen seiner besonderen Struktur kann Schnee mit der Methode nicht erfasst werden. (Atmospheric Measurment Techniques, 2016; doi: 10.5194/amt-9-991-2016)

(Karlsruher Institut für Technologie, 11.04.2016 – DAL)

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