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Physik

Mini-Beschleuniger knackt Energierekord

Zentimetergroße Terahertz-Anlage beschleunigt Elektronen um mehr als das Doppelte

Terahertz-Beschleuniger
Durch die Kombination zweier Terahertz-Beschleuniger im Miniaturformat haben Forscher erstmals Elektronen (blau) um mehr als 70 Kiloelektronenvolt beschleunigt – ein neuer Rekord für diese Technologie. © DESY/ Gesine Born

Klein, aber oho: Ein Teilchenbeschleuniger auf Terahertz-Basis hat erstmals Elektronen um mehr als 70 Kiloelektronenvolt beschleunigt – ein neuer Rekord. Damit erreichen die wenige Zentimeter großen Terahertz-Beschleuniger erstmals Energiebereiche konventioneller, großer Anlagen, die ganze Hallen füllen. Solche Beschleuniger im Mini-Maßstab rücken damit einen Schritt näher an ihren praktischen Einsatz heran, wie die Forscher erklären.

Klassische Teilchenbeschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN oder in Röntgenquellen wie dem European XFEL sind Maschinen im Mega-Maßstab. Sie benötigen große Magnete, kilometerlange Strecken und enorme Energiemengen, um Teilchen auf Tempo zu bringen. Doch es geht auch deutlich kleiner, wie in jüngster Zeit neuartige Laser-Plasmabeschleuniger und Terahertz-Beschleuniger belegen. Diese Anlagen sind nur noch tischgroß oder sogar klein wie eine Streichholzschachtel.

Terahertz-Beschleuniger
Jedes Modul des neuen Terahertz-Beschleunigers ist nur so groß wie eine Münze. © DESY/ Gesine Born

Kürzere Wellen, kürzere Strecke

Der Grund dafür: Bei konventionellen Synchrotronen werden die Elektronen mittels Radiowellen auf Tempo gebraucht – Strahlung mit relativ langer Wellenlänge. „Die Wellenlänge der Terahertz-Strahlung ist rund hundertmal kürzer als die Radiowellen“, erläutert Franz Kärtner vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY). „Das heißt, dass sich auch die Beschleunigerkomponenten rund hundertmal kleiner bauen lassen.“

Bislang aber gibt es einen Haken: Zwar schaffen die Mini-Anlagen viel steilere Beschleunigungsgradienten als ihre großen „Vettern“. Sie benötigen weniger Strecke, um Elektronen auf ein vergleichbar hohes Tempo zu bringen. Doch bei den erreichbaren Höchst-Geschwindigkeiten – und damit der Energie der Elektronenstrahlen – liegen die Terahertz-Beschleuniger noch weit zurück. Bisherige Modelle schafften nur Werte von weniger als zehn Kiloelektronenvolt (keV)

Schub von 70 Kiloelektronenvolt

Einen großen Sprung vorwärts haben nun jedoch Kärtner, sein Kollege Dongfang Zhang und ihr Team geschafft. Sie haben einen Terahertz-Beschleuniger entwickelt, der erstmals Elektronen um mehr als 70 Kiloelektronenvolt beschleunigen kann. Die Mini-Anlage erhöhte die Energie der eingespeisten Elektronen von 55 auf 125 Kiloelektronenvolt. „Das ist der erste Energieschub von mehr als 100 Prozent in einem Terahertz-getriebenen Beschleuniger“, sagt Zhang.

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Möglich wurde dies durch eine geschickte Kopplung zweier nahezu baugleicher Terahertz-Manipulatoren. In beiden dient ein von mehreren dünnen Metallblechen geteiltes Röhrchen als Wellenleiter für die gepulste Terahertzstrahlung. Der Wellenleiter verkuppelt die eingespeisten Elektronen mit der Terahertzstrahlung und macht sie so manipulierbar.

Erst komprimieren, dann beschleunigen

Das erste Bauteil sorgt für eine starke Kompression der hineinfliegenden Elektronenpakete. Denn nur wenn die Pakete kurz genug sind, werden sie durch das schnell oszillierende Terahertz-Feld effektiv beschleunigt. „In früheren Experimenten waren die Elektronenpakete zu lang“, berichtet Zhang. „Dadurch wurden nur einige Elektronen in den Paketen beschleunigt, während andere sogar abgebremst wurden.“ Das zweite Modul bringt dann die nun auf 0,1 Millimeter verkürzten und fokussierten Elektronenpakete auf Touren.

Weil die Terahertz-Wellen so schnell oszillieren, mussten die Forscher dabei alle Komponenten und jeden Prozessschritt präzise synchronisieren. „Um beispielsweise den höchsten Energiezuwachs zu erzielen, müssen die Elektronen das Terahertz-Feld genau in der Beschleunigungsphase zur halben Periode treffen“, sagt Zhang. Genau das ist ihm und seinem Team nun gelungen. „Wir haben die bislang besten Strahlparameter für Terahertz-Beschleuniger erreicht“, erklärt er.

Die zweistufige Mini-Anlage erzeugte einen Gradienten von 200 Millionen Volt pro Meter, wie die Forscher berichten. Das sei schon nah an den derzeit stärksten konventionellen Teilchenbeschleunigern. Die höchste erzielte Beschleunigung lag mit 70 Kiloelektronenvolt ebenfalls schon im Bereich der großen Anlagen – und sie ist ein neuer Rekord für Terahertz-Beschleuniger.

Wichtiger Schritt zur praktischen Nutzung

Doch es geht noch mehr: „Unsere Arbeit zeigt, dass eine dreimal stärkere Kompression der Elektronenpakete möglich ist. Zusammen mit stärkerer Terahertz-Strahlung scheinen Beschleuniger-Gradienten im Bereich von Gigavolt pro Meter machbar“, sagt Zhang. „Das Terahertz-Konzept erscheint daher zunehmend als realistische Option für die Entwicklung kompakter Elektronenbeschleuniger.“

Vor einer praktischen Anwendung der Mini-Beschleuniger müssen allerdings der Gradient und die Strahlqualität noch weiter verbessert werden, wie die Forscher betonen. Dennoch sei der neue Rekord ein entscheidender Schritt hin zu einer praktischen Nutzung von Terahertz-Beschleunigern als Quelle ultraschneller Elektronen. (Optica, 2019; doi: 10.1364/OPTICA.6.000872)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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