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Medizintechnik

Mikrokapseln im Wärmekollaps

Physiker simulieren Auswirkungen thermischer Fluktuationen auf potenzielle Wirkstofftransporter

Thermische Fluktuationen verursachen kleine Knicke und Dellen in der Kugeloberfläche (untere Reihe; Temperatur steigend von links nach rechts). Diese führen dazu, dass thermisch angeregte Hohlkugeln bereits bei einem niedrigeren Druck kollabieren als solche mit völlig glatter Oberfläche (obere Reihe; links: hoher kritischer Druck, rechts: niedriger kritischer Druck). © Forschungszentrum Jülich

Ab welchem Druck fängt eine Hohlkugel an zu kollabieren? Dieses klassische Problem der Mechanik spielt auch beim Verständnis von Mikrokapseln eine Rolle. Diese sollen in Zukunft etwa Wirkstoffe gezielt zu einem Organ transportieren können oder als Implantat-Bestandteil eingesetzt werden. Unter Druck kollabieren sie jedoch eher als bisher vorhergesagt, wie Jülicher Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten.

In den letzten Jahren haben Forscher bereits aus verschiedenartigen Materialien Kapseln mit einem Durchmesser von wenigen Mikro- oder Nanometern hergestellt, zum Beispiel aus elektrisch geladenen Polymeren, sogenannten Polyelektrolyten, oder aus Siliziumoxid. Um solche Mikrokapseln in Implantaten, Prothesen oder als effiziente Wirkstoff-Transporter einsetzen zu können, muss man verstehen, wie sie sich verhalten und miteinander wechselwirken. So ist es besonders für Medikamentenfähren wichtig, präzise vorhersagen zu können, wie sich die Kapseln unter Druck verhalten und ab welchem kritischen Wert es zum abrupten Kollaps kommt.

Makroskopisch schon lange bekannt

Die Deformation makroskopischer, starrer Kugelschalen wurde bereits vor über 50 Jahren von dem Mathematiker, Luftfahrt-Ingenieur und Physiker Theodore von Kármán sehr genau berechnet und beschrieben. Doch für den Nano- und Mikrometerbereich gilt dessen Formel nur begrenzt. „Aufgrund der thermischen Bewegung im angrenzenden Fluid sind mikroskopische Teilchen ständigen Stößen mit den umgebenden Molekülen und Atomen ausgesetzt, die sie abhängig von ihrer Elastizität und Größe unablässig verformen“, erläutert Gerhard Gompper vom Forschungszentrum Jülich. Unregelmäßigkeiten in der Umgebungstemperatur erschweren es daher, das Verhalten der Mini-Kugeln unter Druck zu berechnen.

Welchen Einfluss thermische Fluktuationen auf die Formstabilität haben, lässt sich Gompper zufolge übrigens auch mit einem einfachen Experiment nachvollziehen: „Man nehme ein Blatt Papier, lege es auf den Tisch, und versuche, diagonal entgegengesetzte Kanten gegeneinander zu verschieben, was wegen der hohen Schersteifigkeit kaum gelingt. Nun zerknüllt man das Papier, streicht es fast glatt und legt es wieder auf den Tisch. Die Kanten lassen sich nun deutlich besser gegeneinander verschieben als vorher, wobei die verbliebenen Knicke im Papier den thermischen Fluktuationen entsprechen.“

Stabilität verändert sich unter äußerem Einfluss

Die Jülicher Physiker haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Harvard simuliert, wie sich die Form der winzigen Kugelschalen unter Einbeziehung der thermischen Fluktuationen verändert. „Mit unseren Berechnungen konnten wir erstmals zeigen, dass thermische Fluktuationen die Stabilität tatsächlich beeinflussen“, so Gompper. Dieser Effekt sei dann besonders groß, wenn die Wand der Teilchen im Verhältnis zu ihrer Größe sehr dünn ist.

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„Die thermisch bedingten Dellen und Knicke in der Oberfläche wirken wie eine Art Sollbruchstelle, die unter Druck schnell weiter anwächst. Das führt dazu, dass sich thermisch angeregte Kugeln um bis zu 20 Prozent leichter verformen und deutlich eher kollabieren, als durch die klassische Theorie vorhergesagt“, berichtet Mitautor Gerrit Vliegenthart vom Institute for Advanced Simulation des Forschungszentrums Jülich. Wie die Simulation zudem ergab, sind die die thermischen Effekte besonders stark, wenn zusätzlich äußere Kräfte wirken, beispielsweise ein osmotischer Druck, der durch unterschiedlich hohe Stoffkonzentrationen innerhalb und außerhalb einer Zelle hervorgerufen wird (doi:10.1073/pnas.1212268109).

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 14.11.2012 – KBE)

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