Heute hat ein Bremer Geowissenschaftler einen ebenso ungewöhnlichen wie speziellen Termin beim Arzt. Denn der Forscher kommt nicht als Patient. Vielmehr hat er einen langen Sedimentkern im Gepäck, der vor gut einem Jahr während einer Expedition am Grund des Südatlantiks erbohrt wurde. Der Wissenschaftler will diesen „Patienten“ röntgen lassen, um im Detail zu verstehen, wie sich der Meeresboden dort während der letzten 300.000 Jahre aufgebaut hat.
Der mit 35 Metern außergewöhnlich lange Kern mit Meeresablagerungen stammt vom Kontinentalhang vor Uruguay, wo er in einer Wassertiefe von 1.190 Metern mit dem Meeresboden-Bohrgerät MeBo vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen gewonnen wurde.
Sieben Meter hoch und zehn Tonnen schwer
MeBo ist ein knapp sieben Meter hoher und gut zehn Tonnen schwerer Bohrturm, der in Wassertiefen von bis zu 2.000 Metern operieren kann. Vor Uruguay war das High-Tech-Gerät auf dem deutschen Forschungsschiff METEOR im Einsatz.
Wie überall so ist auch der Kontinentalhang vor Uruguay Bindeglied zwischen den flachen Küstengewässern und der Tiefsee. Die untermeerischen Hänge stehen derzeit ganz besonders im Mittelpunkt der geowissenschaftlichen Forschung. Einerseits sind sie teilweise so steil, dass Hangpartien ins Rutschen kommen können. Diese Rutschungen können aufgrund ihrer enormen Größe Tsunamis auslösen.
Wichtige Rolle für den Materialhaushalt des Südatlantiks
Andererseits sind die Hänge nach Angaben der Bremer Geowissenschaftler gerade vor Uruguay beeindruckend starken Meeresströmungen ausgesetzt. Diese sorgen über die Jahrhunderttausende für reichlich Nachschub an Sediment. Die Region spielt also im Materialhaushalt des Südatlantiks eine wesentliche Rolle. Die Ablagerungen, die bis zu mehrere 100 Meter mächtig werden können, sind zudem gute Archive für die Klimageschichte einer Region.
Untersuchung dauert drei Stunden
Geowissenschaftler Till Hanebuth ist um 16 Uhr in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis am St. Joseph-Stift verabredet. Schließlich haben die Patienten Vorrang.
„Ich bin Herrn Dr. Harmers von der Radiologischen Praxis für die Begeisterung dankbar, mit der er und sein Team den 35 Meter langen, in 1,5 Meter lange Segmente zerschnittenen Kern quasi nach Feierabend durchleuchten“, sagt Hanebuth. „Wir rechnen damit, dass die Untersuchung etwa drei Stunden dauert und sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.“
(idw – MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 11.08.2010 – DLO)