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Physik

LHC: Neue Indizien für unbekanntes Boson?

Winziger Buckel in der Datenkurve deutet auf Überschuss von Photonenpaaren hin

Entstehung eines Photonenpaares im LHC-Detektor ATLAS: Beide Lichtteilchen schießen genau entgegengesetzt vom Kollisionsort weg. © ATLAS/CERN

Teilchenphysiker des CERN könnten erste Anzeichen für ein noch unbekanntes schweres Elementarteilchen gefunden haben – vielleicht. Bei Protonen-Kollisionen im Teilchenbeschleuniger LHC haben sie einen leichten Überschuss von energiereichen Photonen festgestellt. Noch ist dies statistisch jedoch kaum signifikant und kann Zufall sein, wie die Forscher betonen. Aber die Tatsache, dass zwei der Detektoren diesen winzigen Buckel im gleichen Massenbereich entdeckt haben, ist zumindest spannend.

Mit der zweiten Laufzeit des Large Hadron Collider (LHC) am CERN hoffen die Teilchenphysiker auf neue, tiefergehende Einblicke in die Teilchenwelt. Denn es gibt den Verdacht, dass es noch eine ganze Reihe von bisher unbekannten Elementarteilchen geben könnte, die schwerer sind als die bisher bekannten Grundbausteine der Materie. Auch das 2012 entdeckte Higgs-Boson könnte noch massereichere „Geschwister“ besitzen.

Doch diese Teilchen zu finden, ist kompliziert. Denn bemerkbar machen sie sich nur über ihre kurzlebigen Zerfallsprodukte, die bei den energiereichen Kollisionen im Beschleuniger einen kleinen Überschuss über das Erwartete hinaus erzeugen. Weil solche „Buckel“ oder Dellen in der Datenkurve aber auch von anderen Prozessen oder schlicht Messfehlern herrühren können, hängt meist alles an der Statistik – so auch in diesem Falle.

Winziger Photonen-Überschuss

Physiker der beiden großen LHC-Detektoren CMS und ATLAS haben am 15. Dezember im CERN die neuesten Ergebnisse ihrer Messungen vorgestellt – und beide Gruppen stellten eine Auffälligkeit fest: Bei den Protonen-Kollisionen entstand ein kleiner Überschuss an Gammastrahlen. Bei etwa 750 Gigaelektronenvolt registrierte der CMS-Detektor etwa 40 Photonenpaare mehr als es den Erwartungen des Standardmodells entspricht, am ATLAS-Detektor waren es nur zehn Paare mehr.

Für sich genommen wäre das viel zu wenig, um näher betrachtet zu werden, wie die Physiker betonen. Denn am CMS hatte der Überschuss nach Berücksichtigung aller möglichen Fehlerquellen nur eine Signifikanz von 1,2 Sigma, am ATLAS von 1,9 – beides ist weit von dem als Beweis geltenden Sigma-Wert von 5 entfernt.

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Spur eines Gammastrahlen-Photonenpaars im Detektor CMS bei einer Energie von 745 GeV. © CMS/CERN

Erster Indiz für ein neues Teilchen?

Auffällig ist jedoch, dass dieser winzige Buckel bei beiden Detektoren auftritt und bei beiden im gleichen Massenbereich. „Das ist schon ein bisschen erstaunlich“, sagt ATLAS-Physiker Dave Charlton von der University of Birmingham. „Allerdings kann so etwas trotzdem Zufall sein.“ Wäre es jedoch kein Zufall oder Messfehler, dann könnten diese überschüssigen Photonenpaare beim Zerfall eines noch unbekannten Teilchens entstanden sein, wie die Forscher erklären.

Es könnte sich um ein Boson von rund 1.500 GeV Masse handeln, das beim Zerfall Gammastrahlung freisetzt – ähnlich wie auch das Higgs-Boson. Oder aber die Photonenpaare entstehen beim letzten Schritt einer längeren Zerfallskette, an deren Anfang ein noch schwereres Elementarteilchen steht – eine Art schwerer Cousin des Higgs-Bosons.

Die Suche geht weiter

Bisher wissen die Physiker selbst nicht, was sie von diesen Daten halten sollen. Im März 2016, wenn die nächste Runde der Protonen-Kollisionen am LHC beginnt, wollen sie daher weiter nach diesem Photonen-Überschuss suchen. „Wir erwarten im nächsten Jahr zehnmal mehr Daten“, erklärt Charlton gegenüber nature news. „Das sollte helfen, diese Frage zu klären – und wird wahrscheinlich reichlich neue aufwerfen.“

Überprüft werden im nächsten Jahr auch weitere, früher bereits entdeckte „Buckel“ in den Datenkurven. So hatten die Physiker im August 2015 in den Daten der ersten LHC-Laufzeit eine Asymmetrie beim Zerfall von B-Mesonen entdeckt. Ein solches Verhalten könnte auf neue Teilchen oder bisher unbekannte Wechselwirkungen hindeuten. Bisher jedoch reicht auch hier die Signifikanz nicht aus, um einen Zufall auszuschließen.

(CERN, nature news, New Scientist, 17.12.2015 – NPO)

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