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Klima

Kyoto 2 kommt, aber…

Weltklimakonferenz endet mit Kompromiss

Die Weltklimakonferenz in Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali ist nach einer dramatischen Verhandlungsrunde am Ende mit einem Kompromiss zu Ende gegangen. Die Delegierten aus über 190 Ländern haben sich darauf geeinigt, offiziell über ein Anschlussabkommen für das Kyoto-Protokoll zu verhandeln. Bis 2009 soll ein solches für die Zeit nach 2012 stehen.

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Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte das Ergebnis als „mühsam errungenen, aber tragfähigen Kompromiss mit substantiellen Festlegungen. Das Ergebnis von Bali ist weniger, als Deutschland und die EU sich gewünscht hätten. Aber es ist weitaus besser, als angesichts der schwierigen Ausgangslage und der unterschiedlichen Interessen zu erwarten war“, sagte Gabriel nach Beendigung der zweiwöchigen Klimakonferenz.

„Das Signal von Bali lautet: Die Staatengemeinschaft will in den kommenden zwei Jahren ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll aushandeln. Und: Sowohl Industrieländer als auch Entwicklungsländer wollen ihre Anstrengungen für den Klimaschutz verstärken. Gemessen daran, wie festgefahren die Situation noch auf dem letzten Klimagipfel in Nairobi war, ist Bali ein großer Fortschritt.“

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich zufrieden: „Das Ergebnis der Klimaschutzkonferenz auf Bali ist ein großer Erfolg, weil es den Weg für die eigentlichen Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz und für verbindliche Ziele zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen frei macht. Natürlich wird der Weg zu einem Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Abkommen noch steinig werden. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Mandat von Bali schon bald als wegweisend und weichenstellend erweisen wird – ähnlich wie es das Mandat von Berlin in den neunziger Jahren trotz anfänglicher Kritik getan hat.“

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BMU sieht Riesenfortschritt

Das in Bali beschlossene Verhandlungsmandat enthält eine Reihe anspruchsvoller Festlegungen sowohl für Industrieländer als auch für Entwicklungsländer. So wollen alle Industrieländer, die USA eingeschlossen, deutlich stärkere Verpflichtungen oder Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Diese Anstrengungen, die quantifizierte Ziele zur Begrenzung und Minderung der Treibhausgasemissionen ausdrücklich einschließen, müssen „messbar, dokumentierbar und nachprüfbar“ sein. Und sie müssen bei Berücksichtigung nationaler Besonderheiten untereinander vergleichbar sein. Eine Entscheidung über die internationale Verbindlichkeit dieser Ziele war von Bali nicht zu erwarten.

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Es sei ein Riesenfortschritt, dass in Bali die Entwicklungsländer, die weit weniger zu den Ursachen des Klimawandels beigetragen haben, erstmals zugestimmt haben, ihrerseits weitergehende Maßnahmen zur Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes zu ergreifen, so das BMU. Auch diese Maßnahmen seien in der Erklärung von Bali mit den Attributen „messbar, dokumentierbar und nachprüfbar“ versehen. Dass die Entwicklungsländer dabei technologisch und finanziell unterstützt werden wollen, sei eine Selbstverständlichkeit.

Auch in anderen Bereichen wurden in Bali wichtige Entscheidungen getroffen: Erstmals wurde im Bereich Technologietransfer ein konkretes und umfassendes Arbeitsprogramm verabschiedet. Der Adaptionsfonds, aus dem Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel finanziert werden, wurde verabschiedet. Neu ist auch, dass die Entwaldung in das zukünftige Klimaregime einbezogen werden soll. Bereits im Frühjahr 2008 wird eine erste Sitzung der neu eingerichteten Verhandlungsgruppe stattfinden.

Verhandlungsfahrplan mit konkreten Zielvorgaben

Die Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls beschlossen in Bali ebenfalls einen anspruchsvollen Verhandlungsfahrplan mit konkreten Zielvorgaben. Darin erkennen diese Staaten mit ausdrücklichem Hinweis auf den IPCC-Bericht an, dass die Industrieländer bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent senken müssen.

Zwischen Enttäuschung und Erleichterung

Ein zwiespältiges Echo haben die Balibeschlüsse bei den Umweltorganisationen ausgelöst. „Der Gipfel hat gezeigt, dass die Kluft zwischen Wissen und tatsächlichem Handeln in der Klimapolitik noch immer groß ist“, kommentierte Regine Günther Leiterin des Bereichs Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. „Die internationale Staatengemeinschaft hatte bis zur letzten Minute die USA als Klotz am Bein, deshalb ist man leider nicht weitergekommen.“

Positiv ist für den WWF, dass man sich mit 2009 auf ein konkretes Datum geeinigt habe, bis wann das neue Klimaschutzabkommen stehen müsse. Dadurch steige der politische Druck, die Verhandlungen in den kommenden zwei Jahren zu einem Ende zu führen. Mit dem Mandat von Bali stehe ein politischer Rahmen, der die Richtung vorgebe. Dies sei ein Bekenntnis der internationalen Staatengemeinschaft, dass der Klimawandel nur gemeinsam zu bewältigen sei.

Enttäuschend sei hingegen, dass man sich nicht auf konkrete Reduktionsverpflichtungen für die Industrieländer festgelegt habe. Dies sei wieder einmal am Widerstand der USA gescheitert. Auch bei der Frage, ob die die Treibhausgasemissionen, wie vom Weltklimarat (IPCC) empfohlen, spätestens ab 2015 weltweit drastisch sinken müssen, spielten die USA, gestützt von Russland, Japan und Kanada eine destruktive Rolle. „Die USA haben alle Anstrengungen unternommen, das Balimandat zu verwässern. Immerhin gibt das Mandat dem nächsten Präsidenten der USA die Möglichkeit, einen wirkungsvollen Beitrag im globalen Kampf gegen den Klimawandel zu leisten“, kommentierte Günther.

BUND fordert Vorreiterrolle Deutschlands

„Das Ergebnis der Weltklimakonferenz ist enttäuschend. Der Kompromiss der Abschlusserklärung reicht nicht gegen die großen Bedrohungen durch den Klimawandel. Die angeführte Spannweite der CO2-Reduktionen von 25 bis 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 ist nur akzeptabel, wenn die Industriestaaten die obere Grenze anpeilen. Die Bundesregierung darf deshalb ihre Vorreiterrolle auf keinen Fall aufgeben und muss ungeachtet des Ergebnisses ihre Emissionen um 40 Prozent reduzieren.“, sagte auch Gerhard Timm, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einer ersten Stellungnahme. Je früher drastische Reduktionen eingeleitet würden, desto höher sei die Chance, dass der Temperaturanstieg auf unter zwei Grad begrenzt werden könnte.

Timm kritisierte, dass die Delegationen der Vereinigten Staaten und Japans jede Gelegenheit genutzt hätten, die Verhandlungen ins Stocken zu bringen. Kanada und Russland seien dabei willige Erfüllungsgehilfen gewesen. Die konstruktiven Vorschläge der Entwicklungsländer hätten daher kaum eine Chance gehabt.

Dass es dennoch zu einem Kompromiss gekommen sei, liege nur am Verhandlungswillen der Entwicklungsländer sowie der Vermittlerrolle Deutschlands und der EU. So gelang es, die USA komplett zu isolieren und zum Einlenken zu bewegen. „Auf diese neue Koalition sollten Deutschland und die EU bei den kommenden Verhandlungen setzen“, so Timm.

Scheitern verhindert, aber zu wenig Substanz

Dem Beschluss der UN-Klimakonferenz von Bali fehlen die wichtigen Minderungs-Ziele für den Ausstoß von Treibhausgasen, die die Wissenschaft und die Verantwortung für die Menschheit fordern, erklärte dagegen Greenpeace am Samstag zum Ende der Konferenz.

„Die Bush-Regierung hat skrupellos das Konsens-Prinzip der Klimaverhandlungen missbraucht und echte Fortschritte behindert“, sagte Greenpeace Klima-ExperteTobias Münchmeyer, Klima-Experte von Greenpeace. „Der steigende internationale Druck wird die Regierungen während der kommenden zwei Jahre zwingen den unvermeidlichen tiefen Einschnitten bei den Treibhausgasemissionen zuzustimmen, die die Wissenschaft fordert.“

(Bundesregierung online/BMU/BUND/WWF/Greenpeace, 17.12.2007 – DLO)

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