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Physik

Kurzen Gammablitzen auf der Spur

Neue Modelle beleuchten rätselhafte Explosionen

Ausgeschleudertes Gas um ein schwarzes Loch © MPI Astrophysik

Erstmals konnten Forscher des Max-Planck-Instituts für Astrophysik die Entstehung von kurzen Gammablitzen simulieren. Diese gehören zu den energiereichsten und hellsten Explosionen im Universum und geben den Wissenschaftlern nach wie vor viele Rätsel auf. Eine Satellitenmission im Herbst 2004 soll auf Grundlage dieser Simulationen endgültige Klarheit über die Herkunft der Gammablitze bringen.

Gammablitze gehören zu den energiereichsten und hellsten Explosionen im Universum. Sie ereignen sich im Schnitt einmal am Tag, sind zwischen einer tausendstel Sekunde und mehrere hundert Sekunden lang, und werden in allen Himmelsrichtungen beobachtet. Ihre Gammastrahlung ist energiereicher als sichtbares Licht und kann von Satelliten im Weltraum gemessen werden. Gammablitze setzen in einer Sekunde eine Energiemenge frei, wie sie die Sonne in ihrer 10 Milliarden Jahre dauernden Entwicklung produziert. Die so genannten langen Blitze emittieren Gammastrahlung für mehr als zwei Sekunden, während die kurzen Blitze unter zwei Sekunden strahlen.

Gammablitze auf langer Reise

Bislang konnten nur die langen Blitze genau beobachtet werden. Das bei ihnen gefundene „Nachglühen“ in Röntgenstrahlung, sichtbarem Licht und Radiostrahlung hat es erlaubt, ihre Entfernung zu bestimmen. Es hat sich bestätigt, dass sie meist aus Milliarden von Lichtjahren entfernten Galaxien stammen. Bis vor kurzem waren die Quellen dieser Strahlung vollkommen unbekannt. Durch die genauere Beobachtung häuften sich allerdings Hinweise, dass sie bei gewaltigen Explosionen sehr schwerer Sterne erzeugt werden. Eine endgültige Bestätigung dieser Vermutung gelang mit dem Gammablitz vom 29. März 2003, der vom High-Energy Transient Explorer Satelliten aufgezeichnet wurde. Erstmals konnte dieser Blitz zweifelsfrei mit der außergewöhnlichen Supernova SN 2003dh in zwei Milliarden Lichtjahre Entfernung in Verbindung gebracht werden.

Schwarze Löcher als Ausgangspunkt

Wo aber kommt die gewaltige Energie her, die in den Gammablitzen frei wird? Die am weitesten verbreitete Theorie besagt, dass die „Maschine“ ein rotierendes schwarzes Loch ist, das sich bildet, wenn der zentrale Kern eines sterbenden Sterns instabil wird und unter seiner eigenen Schwerkraft in sich zusammenstürzt. Dieses neu entstandene schwarze Loch verschlingt nun den größten Teil der kollabierenden Sternmaterie und setzt andererseits riesige Energiemengen in Form zweier „Jets“ frei. Diese Gasströme expandieren mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in Richtung der Rotationsachse des Sterns. Bevor sie aus der Sternoberfläche ausbrechen, müssen sie sich ihren Weg durch dicke Schichten von Sternmaterie bahnen und werden dabei in sehr enge Strahlen gebündelt. Tatsächlich bestätigen Beobachtungen nicht nur den Ursprung langer Gammablitze von explodierenden Sternen, sondern liefern auch Hinweise darauf, dass die Gammastrahlung von eng gebündelten, hochrelativistischen Jets (mit Geschwindigkeiten von über 99,995 Prozent der Lichtgeschwindigkeit) stammt.

Die Besprechung einfach im Stehen abhalten: Schon das reicht aus, um etwas für die Gesundheit zu tun. © Cecilie Arcurs/ iStock.com

Rotierende, stellare schwarze Löcher entstehen aber auch bei anderen kosmischen Ereignissen, zum Beispiel bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne oder eines Neutronensterns mit einem schwarzen Loch. Solche kompakten Objekte umkreisen sich in Doppelsternsystemen Hunderte Millionen Jahre, wobei ihr Bahnabstand durch Gravitationswellen-Abstrahlung fortwährend schrumpft. Nach der unausweichlichen, finalen Katastrophe bleibt für Sekundenbruchteile ein dicker Ring heißer Materie um das schwarze Loch. Schon seit langem argumentieren Theoretiker, dass Gammablitze ausgelöst werden könnten, wenn diese Materie im schwarzen Loch verschwindet. Verschmelzende kompakte Sterne gelten als heiße Kandidaten für die Herkunft der immer noch mysteriösen kurzen Gammablitze.

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Simulation zeigt Unterschiede auf

Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun mit genaueren Modellen untersucht, wie die hochrelativistischen polaren Jets durch Energiefreisetzung (z.B. durch Elementarteilchenprozesse) in unmittelbarer Nähe eines schwarzen Lochs entstehen. Die Computersimulationen berücksichtigen die Effekte von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Sie bestätigen, dass kurze Blitze Eigenschaften besitzen sollten, die sich charakteristisch von denen langer Blitze unterscheiden. Weil das schwarze Loch nicht im Zentrum eines Sterns entsteht, müssen die Jets nicht ihren Weg durch dichte Sternschichten nach außen bahnen. Sie erreichen daher sehr schnell extrem hohe Geschwindigkeiten und werden dabei durch die dicke Gasscheibe um das Schwarze Loch in enge Strahlen gebündelt. Sie besitzen Öffnungswinkel zwischen 5 und 10 Grad und sind nur wenig weiter als die Gammajets aus sterbenden Sternen. Die Modelle sagen vorher, dass außerhalb dieser polaren Kegel nur sehr schwache Gammastrahlung emittiert wird. Von rund 100 Doppelsternverschmelzungen sollte deshalb nur einer einen beobachtbaren Gammablitz verursachen, wenn einer der Jets genau auf die Erde gerichtet ist. Kurze Gammablitze können fast genauso hell sein wie lange Blitze, obwohl ihre Energie 100 mal geringer ist.

Bislang war es nicht möglich, mit Satelliten detaillierte Messungen an kurzen Gammablitzen vorzunehmen. Es besteht aber Hoffnung, dass die Modellvorhersagen bald überprüft werden können. Im Herbst 2004 wird ein neues Instrument in den Erdorbit geschossen, der Swift Gamma-Ray Burst Explorer, den die NASA mit internationaler Beteiligung betreiben wird. Eines seiner Hauptziele ist es, endlich die Geheimnisse der kurzen Gammablitze zu lüften.

(Max-Planck-Institut für Astrophysik, 02.09.2004 – AHE)

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