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Technik

Künstliche Hand mit Feingefühl

Muskeln aus intelligentem Draht sorgen für hohe Präzision

Ingenieurin Filomena Simone mit dem Prototyp der künstlichen Hand mit Muskeln aus Formgedächtnis-Draht. © Oliver Dietze

Nach dem Vorbild der Natur: Intelligente Drähte als Muskeln verleihen einer künstlichen Hand ein außerordentliches Feingefühl. Mit der von deutschen Ingenieuren entwickelten Technik sollen sowohl flexible und leichte Roboterhände als auch neuartige Prothesen möglich sein. Da die sogenannten Formgedächtnis-Drähte auch selbst wie Sensoren funktionieren, kann die künstliche Hand äußerst präzise Bewegungen ausführen.

Die menschliche Hand ist das perfekte Werkzeug: Sie ist außerordentlich beweglich, vielseitig und anpassungsfähig. Das vollkommene Zusammenspiel von Muskeln, Bändern, Sehnen, Knochen und Nerven weckt unter Wissenschaftlern seit langem den Wunsch, ein flexibles Werkzeug nach diesem Vorbild zu schaffen. Künstliche Hände, wie etwa die von Robotern in Fertigungsstraßen, benötigen aber derzeit noch viel Technik im Hintergrung: Sie sind abhängig von Gerätschaften wie Elektromotoren oder Druckluft, sie sind oft schwer, laut und teuer. Außerdem sind sie oft vergleichsweise unflexibel, nur auf wenige Bewegungsabläufe zugeschnitten.

Intelligente Drähte als Muskeln

Das Forscherteam um Stefan Seelecke von der Saar-Universität setzt darum auf ein neues Verfahren: Die Ingenieure verwenden das Formgedächtnis einer Nickel-Titan-Legierung und geben damit der Hand Muskeln aus haarfeinen Drähten, die anspannen und entspannen können. Formgedächtnis bedeutet dabei, dass der Draht sich an seine Form „erinnert“ und diese wieder annimmt, nachdem er verformt wurde.

„Diese Eigenschaft der Nickel-Titan-Legierung beruht auf Phasenumwandlungen“, erläutert Seelecke: „Wird der Draht warm, etwa wenn Strom hindurchfließt, wandelt sich seine Gitterstruktur um, und er zieht sich wie ein Muskel zusammen.“ In ihrer künstlichen Hand ersetzten die Forscher die Muskeln durch solche „intelligenten Drähte“. Mehrere Drahtstränge verbinden die Fingerglieder und übernehmen an der Finger-Vorderseite die Beuge-Muskulatur und an der Rückseite die Streck-Muskulatur.

Drahtbündel sind schnell, stark und flexibel

Um schnelle Bewegungen zu ermöglichen, haben die Forscher nach dem Vorbild des menschlichen Muskelaufbaus mehrere der haarfeinen Drähte wie Muskelfasern gebündelt: Das Drahtbündel ist fein wie ein Faden, aber in seiner Zugkraft genauso stark wie ein dicker Draht. „Das Bündel kann sich schnell verkürzen und wieder lang werden und das bei hoher Zugkraft“, erklärt Ingenieurin Filomena Simone von der Universität des Saarlandes. Grund dafür sei die schnellere Abkühlung eines solchen Drahtbündels im Vergleich zu einem einzelnen dickeren Draht. „So wird eine schnelle und fließende Bewegung der Finger möglich“, erläutert Simone.

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„Die Formgedächtnis-Drähte bringen entscheidende Vorteile gegenüber anderen Verfahren“, sagt Seelecke. Sie kämen ohne weitere Apparaturen aus, was sie leicht, flexibel und anpassungsfähig macht. Darüber hinaus seien sie geräuschlos bei der Arbeit und vergleichsweise günstig herzustellen. „Und diese Drähte haben die höchste Energiedichte aller bekannten Antriebsmechanismen. Sie können also auf kleinem Raum kraftvolle Bewegungen ausführen“, so Seelecke.

Gefühlvoll ohne zusätzliche Sensoren

Ein weiterer Effekt der Drähte: Die Hand reagiert gefühlvoll, wenn jemand in ihre Bewegungsabläufe eingreift. Menschen können daher buchstäblich Hand in Hand mit ihr zusammenarbeiten. Ein Halbleiterchip enthält die notwendige Steuerung, um im Zusammenspiel mehrerer Drähte präzise Bewegungen auszuführen.

Das System kommt dabei ganz ohne Sensoren aus. „Das Material der Drähte selbst hat Sensoreigenschaften“, erklärt Seelecke. „Die Steuerungseinheit erkennt anhand der Messdaten des elektrischen Widerstandes zu jeder Zeit die genaue Position der Drähte“. Dadurch lassen sich Hand und Finger auf den Punkt genau zu bewegen. Diese Sensoreigenschaften sollen auch dabei helfen, die Bewegungsmuster der menschlichen Hand noch genauer nachzubilden.

(Universität des Saarlandes, 25.03.2015 – AKR)

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