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Chemie

Kohlenstoff-Dreifachbindung geknackt

Generalschlüssel zu neuen Materialien und Medikamenten

Prof. Matthias Tamm (rechts) und Stephan Beer betrachten den Katalysator, der unter Argon-Schutzgas in einer Glovebox (einem Handschukasten) gehandhabt wird. © TU Braunschweig

Forscher haben erstmals einen Katalysator entwickelt, mit dem sie Kohlenstoff- Kohlenstoff- Dreifachbindungen bei Raumtemperatur spalten und neu knüpfen können. Dieser hochaktive Metallkomplex ist ein Schlüssel zu einer Vielzahl neuer Materialien und Substanzen, von Medikamenten über bisher unbekannte Hightechprodukte bis hin zu Schmetterlingsduftstoffen.

Das Element Kohlenstoff gehört zu den wichtigsten Bausteinen des Lebens und kommt in allen Lebewesen sowie überall in unserer Umwelt vor. Kohlenstoffatome können sich untereinander und auch mit anderen chemischen Elementen durch Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen zu Ketten und Ringen zusammenschließen und besitzen dadurch die Fähigkeit, komplexe Moleküle zu bilden. 2005 wurde der Nobelpreis für Chemie an Wissenschaftler verliehen, die es geschafft hatten, hochaktive Katalysatoren für die Spaltung von Kohlenstoff- Kohlenstoff- Doppelbindungen zu entwickeln. Die Spaltung der stabileren Dreifachbindungen ist im Vergleich dazu wesentlich aufwendiger und ermöglicht im Erfolgsfalle ein noch größeres Anwendungsspektrum.

Zwei Hände und ein Fuß

„Doppelbindungen in bestimmten Kohlenwasserstoffen – Alkene oder auch Olefine genannt – kann man sich so vorstellen, als ob die beteiligten Atome einander beide Hände reichen. Bei den festeren Dreifachbindungen in Alkinen umfasst zusätzlich gleichsam noch je ein Fuß oder Bein den jeweils anderen“, erläutert Professor Matthias Tamm die Grundlagen. Wenn man nun diese Bindungen spaltet, können die Molekülhälften ihre Plätze tauschen und untereinander neu kombiniert werden. Es kommt zur Metathese (meta = wechsel; these = Position).

Spezielle Katalysatoren bewirken diese Reaktion: Imidazolin-2-iminato-Alkylidinwolframkomplexe, das sind Moleküle, die ihrerseits eine Metall-Kohlenstoff-Dreifachbindung besitzen und dadurch zur Wechselwirkung mit Kohlenstoff- Kohlenstoff- Dreifachbindungen und deren Spaltung befähigt sind. Die neuen Katalysatoren wurden jetzt von Tamm und seiner Arbeitsgruppe zum Patent angemeldet. Sie beschleunigen wie alle Katalysatoren die erwünschten chemischen Reaktionen, ohne dabei selbst verbraucht zu werden.

Neue Medikamente und Schmetterlingsdüfte

„Im Laborversuch ist die Alkinmetathese in der Vergangenheit mehrfach gelungen“, so Tamm. „Aber erst durch unsere Katalysatoren kann man diese Reaktion bereits bei Raumtemperatur erreichen. Dadurch wird das Verfahren für die industrielle Nutzung besonders interessant.“ Das Spektrum neuer Produkte ist sehr groß und wird erst in den nächsten Jahren voll erschlossen sein. Zu den wichtigsten Anwendungsgebieten gehören die Entwicklung neuer Medikamente und Kunststoffe.

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So wurden in Kooperation mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Alois Fürstner vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr bereits erste Erfolge bei der Synthese von pharmakologisch aktiven Naturstoffen erreicht. Eine ähnliche Zusammenarbeit besteht auch mit Prof. Dr. Stefan Schulz vom Institut für Organische Chemie der TU Braunschweig, in deren Rahmen die Synthese von Schmetterlings-Duftstoffen untersucht wird.

Leuchtende Farben für ultradünne Monitore

Auch das Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig ist an den neuen Katalysatoren zur Herstellung von elektrooptischen Verbindungen interessiert. Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Kowalsky und Dr. Hans-Hermann Johannes werden dort ultraflache, flexible Bildschirme entwickelt.Sie funktionieren auf der Basis organischer Materialien, die Licht aussenden. Ziel ist es, in Zukunft Monitore anbieten zu können, die dünn wie Plastiktüten sind und dabei brillante, von allen Blickwinkeln sichtbare Bilder liefern.

„Wir haben bereits Materialproben hergestellt, die intensiv leuchten und für den Aufbau von organischen Leuchtdioden (OLED) geeignet sind. Die Synthese dieser Farbstoffe, die aus konjugierten Benzolringen und Kohlenstoff- Kohlenstoff- Dreifachbindungen bestehen, wurde durch den Einsatz der Alkinmetathese extrem vereinfacht“, berichtet Tamm. „Nun steht die Synthese größerer Substanzmengen und die Variation der chemischen Struktur an, um Licht in verschiedenen sichtbaren Farben erzeugen zu können“.

(TU Braunschweig, 11.12.2007 – NPO)

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