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Medizintechnik

Knochenchirurgie: Metallisches Glas löst sich von selbst auf

Operationen zur Entfernung von Schrauben und Platten künftig überflüssig?

Blick in einen Ofen, in dem metallische Gläser hergestellt werden. Der Lichtbogen, der zwischen Kupferplatte (unten) und Wolframspitze (Mitte) gezündet wird, ist bis zu 3000 Grad Celsius heiss. © Jürg Löffler / ETH Zürich

Mediziner wollen künftig Knochenbrüche mit Schrauben und Platten fixieren, die der Körper während der Heilung von selber abbaut. Diesem Ziel sind Schweizer Wissenschaftler jetzt einen großen Schritt näher gekommen. Sie haben ein neues metallisches Glas entwickelt, das sich nach einiger Zeit wie von Geisterhand auflöst. Operationen zur Entfernung von Implantaten könnten dadurch künftig überflüssig werden. Die Forscher berichten über ihre Experimente in der aktuellen Online-Ausgabe des Fachmagazins „Nature Materials“.

Bis heute fixieren Chirurgen gebrochene Knochen meist mit Schrauben und Platten aus rostfreiem Stahl oder Titan. Diese müssen sie dann in einer weiteren Operation entfernen, da der menschliche Körper diese Werkstoffe nicht abbauen kann. Materialforscher suchen deshalb nach metallischen Legierungen, die den Knochen eine Zeit lang stabilisieren, sich danach aber auflösen und vom Körper resorbiert werden. Besonders interessante Materialien sind Legierungen auf der Basis von Magnesium. Dieses Leichtmetall ist mechanisch stabil und baut sich vollständig unter Freisetzung von körperverträglichen Ionen ab.

Magnesium hat aber einen schwerwiegenden Nachteil: Beim Abbau bildet sich Wasserstoff (H2), der dem Körper schaden kann. Um die Stellen, an denen die Magnesiumteile eingepflanzt wurden, entstehen Gasblasen, die das Knochenwachstum und damit die Heilung behindern und zu Entzündungen führen können.

Keine Nebenwirkungen dank mehr Zink

Diese unerwünschte Nebenwirkung haben nun Materialforscher um Jörg Löffler, Professor für Metallphysik und -technologie am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich, beseitigen können. Sie haben nicht nur eine völlig neue, körperverträgliche Legierung aus Magnesium, Zink und Kalzium entwickelt, sondern diese auch mit einem speziellen Verfahren gegossen und so ein metallisches Glas produziert.

Metallische Gläser werden durch schnelles Abkühlen aus der Schmelze hergestellt. Dadurch können sich die Atome nicht in einer Gitterstruktur anordnen und bilden eine ungeordnete, das heißt amorphe Struktur, ähnlich wie die von Fensterglas – daher auch der Name metallisches Glas. Mit dieser Methode gelang es den Wissenschaftlern, der Magnesiumschmelze mehr Zink beizumengen als dies bei herkömmlichen Legierungen möglich ist.

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Die von den ETH-Forschern Bruno Zberg, Peter Uggowitzer und Löffler entwickelte Legierung enthält bis zu 35 Prozent Zink- und fünf Prozent Kalzium-Atome, der Rest entfällt auf Magnesium. Eine herkömmliche, kristalline Magnesium-Legierung kann dagegen höchstens 2,4 Prozent Zink-Atome enthalten. Ist deren Anteil höher, bildet sich eine unerwünschte kristalline Phase innerhalb des Magnesiums aus. Der große Vorteil des hohen Zinkgehalts ist das grundlegend veränderte Korrosions- und Abbauverhalten. Klinische Tests mit kleinen Plättchen aus der neuartigen Magnesium-Zink-Kalzium-Legierung zeigten keine Wasserstoffentwicklung während des Abbaus.

Potenzial für Knochenchirurgie erkannt

„Die neuartige Legierung in Form des metallischen Glases hat großes Potenzial für die Knochenchirurgie“, ist Löffler überzeugt. Die Legierung und ihre Anwendungen als Implantatwerkstoff wurden deshalb bereits zum Patent angemeldet. Mit weiteren Forschungsarbeiten und klinischen Tests soll das neue metallische Glas in den nächsten Jahren bis zur Marktreife gebracht werden. Chirurgen können die neue Legierung dann routinemäßig bei Operationen einsetzen.

Denkbar sind nicht nur Fixierungen zur Behandlung von Knochenbrüchen, sondern auch Stent-Implantate für Eingriffe im Gefässsystem. „Es wäre schön, wenn wir mit unserer Forschung etwas zum Wohle von Patienten beitragen könnten“, sagt der ETH-Professor.

(idw – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 29.09.2009 – DLO)

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