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Klima

Klimagipfel: Fortschritt oder vertane Chance?

Streit über Ergebnisse der 14. Weltklimakonferenz

Im polnischen Posen ist am Freitag die 14. Weltklimakonferenz zu Ende gegangen. Während die meisten Umweltorganisation von den Ergebnissen des Gipfels enttäuscht sind, hat das Bundesumweltministerium (BMU) klare Fortschritte erkannt.

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„Das Signal von Posen ist eindeutig: Die Finanzkrise ist ein Argument nicht gegen, sondern für konsequenten Klimaschutz. Das Ignorieren des Klima-Risikos würde teuerer als die Finanzkrise – und die Folgen wären unumkehrbar“, sagte Minister Sigmar Gabriel.

„Wer mit faulen Krediten handelt, der verliert am Ende Billionen Euros und Dollars. Und der faulste Kredit, mit dem wir weltweit handeln, ist der Klimakredit. Deswegen war es die wichtigste Aufgabe dieser Vertragsstaatenkonferenz, ein starkes und klares Signal zu senden und den Klimaschutz zurück in das Zentrum der internationalen Politik zu holen“, so der Bundesumweltminister.

Kyoto-Anschlussabkommen nicht in Sicht?

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) war die UN-Klimakonferenz dagegen eine verpasste Chance im Kampf gegen die globale Erderwärmung. Die Industriestaaten seien Schuld, dass man einem Kyoto-Anschlussabkommen für die Zeit nach 2012 kaum näher gekommen sei. Sie hätten ihre Verantwortung für den globalen Klimaschutz nicht wahrgenommen und es versäumt, den Entwicklungsländern ausreichende Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels zuzusichern.

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Posen als Wendepunkt

Aus Sicht des Bundesumweltministeriums (BMU) markiert Posen jedoch den Übergang vom Austausch von Positionen zu echten Verhandlungen für ein umfassendes Klimaregime, das im kommenden Jahr in Kopenhagen beschlossen werden soll. Die Verhandlungen unter der Konvention und dem Kyoto-Protokoll würden parallel vorangetrieben. Auch wenn die wichtigsten Entscheidungen erst in Kopenhagen getroffen werden: Der Richtungswechsel in den USA macht Fortschritte bei Minderungsverpflichtungen von Industriestaaten im nächsten Jahr greifbar, so das BMU.

Zur Vermeidung einer gefährlichen vom Menschen verursachten Störung des Klimasystems sind laut dem Ministerium auch eigene substantielle Beiträge vor allem der großen Emittenten und Schwellenländer notwendig. Klar ist, dass die Entwicklungsländer bei Minderung und Anpassung durch Finanz- und Technologietransfer unterstützt werden müssen. Bei der Bereitstellung von neuen und zusätzlichen Ressourcen werden neben öffentlichen Geldern im engeren Sinne vor allem Mittel aus dem Kohlenstoffmarkt genutzt werden müssen.

Anpassungsfonds funktionsfähig gemacht

Posen hat hier nach Ansicht des BMU Fortschritte gebracht: Der Anpassungsfonds wurde funktionsfähig gemacht. Der Fonds stellt Mittel für die Anpassung an den Klimawandel für Entwicklungsländer bereit – und zwar aus Mitteln des globalen Kohlenstoffmarktes: Auf „Clean Development Mechanism“-Projekte, die von Industriestaaten in Entwicklungsländern durchgeführt werden, wird eine „Abgabe“ von zwei Prozent der Gesamtsumme der Zertifikate erhoben, die in den Anpassungsfonds fließt.

„Wir müssen uns darauf verständigen, dass wir weitere Mittel aus dem Kohlenstoffmarkt für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel mobilisieren müssen. Deutschland tut dies bereits. Über die internationale Klimainitiative stellen wir rund 25 Prozent unserer Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel für Anpassungsmaßnahmen und Technologietransfer in Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung. Das wollen wir ausbauen“, sagte Gabriel.

Auch bei der Diskussion um die „Gemeinsame Vision“ seien Fortschritte erreicht worden. Das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur in diesem Jahrjahrhundert deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten, wird laut BMU von mehr und mehr Staaten unterstützt. Auch die Entwicklungsländer sehen zunehmend die Notwendigkeit, ein Langfristziel als „Leitplanke“ zu vereinbaren.

Führungsrolle im Klimaschutz eingebüßt

Auch Deutschland und die Europäische Union stellten derzeit kurzfristige Industrieinteressen in den Vordergrund und hätten ihre Führungsrolle im Klimaschutz eingebüßt, entgegnete jedoch der BUND. 2009 müsse das Tempo der Klimaschutzverhandlungen deutlich erhöht werden, damit Ende des kommenden Jahres zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen ein unterschriftsreifes Abkommen vorliege, mit dem die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius begrenzt werden könne.

„Seit dem Weltklimagipfel auf Bali Ende 2007 ist ein komplettes Jahr vertan worden. Die Industriestaaten wollen sich offensichtlich weder auf eine entscheidende Reduzierung ihrer CO2-Emissionen festlegen, noch angemessen Verantwortung für die Folgen des Klimawandels übernehmen, den hauptsächlich sie verursacht haben. In Poznan hat das Verhältnis zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern schwer gelitten. Um das zu reparieren, muss das kommende Jahr zum Klima-Rettungsjahr werden“, so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Finanzkrise als Alibi

Die Regierungen der Industriestaaten müssten sich schnellstens zum Ziel einer 40-prozentigen Minderung ihrer Treibhausgase bekennen und den Entwicklungsländern ausreichende Finanzhilfen für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zusagen. Auch die Vereinbarungen zum Technologietransfer und zum Waldschutz müssten endlich mit Substanz gefüllt und die stetig steigenden Emissionen des Flug- und Schiffsverkehrs in die Klimaverhandlungen einbezogen werden.

Weiger: „Die Europäische Union ist mitverantwortlich dafür, dass es mit dem globalen Klimaschutz zurzeit nicht vorangeht. Die internationale Finanzkrise dient ihr als Vorwand, kurzfristige Industrieinteressen durchzusetzen. Ihre Führungsrolle im Klimaschutz hat sie damit endgültig verspielt. Letztlich schaden die Industriestaaten sich selbst. Denn die Wirtschaftsschäden durch unterlassenen Klimaschutz werden zehnmal höher sein als die aus der Finanzkrise.“

Verschwendete Zeit

Auch der NABU hat eine ernüchternde Bilanz der Weltklimakonferenz in der polnischen Messestadt Posen gezogen. „Ob die internationalen Klimaverhandlungen scheitern oder nicht, wissen wir erst in einem Jahr bei der Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagen. In den vergangenen zwei Wochen haben es vor allem die Industriestaaten versäumt, wichtige Fortschritte zu erzielen“, bilanzierte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Besonders ärgerlich sei es, dass bei wichtigen Themen wie dem Erhalt der tropischen Wälder keine konkreten Ergebnisse erzielt wurden. Immerhin verständigten sich die Teilnehmer darauf, dass die besonders vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländer bereits 2009 mit finanziellen Hilfen rechnen können und die Unterstützung noch ausgeweitet werden soll.

Politischer Wille fehlt

„Der Klimagipfel von Posen hat nicht mehr als die formalen Voraussetzungen dafür geschaffen, um in zwölf Monaten in Kopenhagen ein ambitioniertes globales Abkommen für die Zeit nach 2012 zu erreichen. Zugleich wurde deutlich, dass es bei zentralen Akteuren an dem politischen Willen mangelt, um ein solch weitreichendes internationales Abkommen auch wirklich zu erreichen“, sagte Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch, zum Ende der 14-tägigen Verhandlungen in Posen.

(BUND/NABU/BMU/Germanwatch, 15.12.2008 – DLO)

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