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Physik

Kernfusion im Röntgenlaser?

Quantenphysikalisches Tunneln könnte die Verschmelzung von Atomkernen anstoßen

European XFEL
Die elektromagnetischen Felder von starken Röntgenlasern könnten Atomkernen dabei helfen, die Abstoßungsbarriere zur Fusion zu "durchtunneln". © European XFEL / Option Z

Rätselhaftes Phänomen: Röntgenlaser könnten künftig dabei helfen, Atomkerne schon bei niedrigerer Energie zur Fusion zu bringen. Denn die starken elektromagnetischen Felder in einem solchen Freie-Elektronen-Laser helfen dabei, die Abstoßung der Kerne zu überwinden – durch das Tunneln. Bei diesem quantenphysikalischen Prozess durchdringen die Atomkerne die Abstoßungsbarriere, ohne sie überwinden zu müssen.

Die Fusion von Atomkernen findet von Natur aus in der Sonne und anderen Sternen statt. Dort sorgen enormer Druck und hohe Temperaturen dafür, dass die positiv geladenen Kerne ihre starke gegenseitige Abstoßung überwinden. Weil bei der Verschmelzung der Atomkerne große Mengen Energie frei werden, gilt die Kernfusion auch als mögliche Energieform der Zukunft.

Das Problem jedoch: Damit die Fusionsreaktion von selbst in Gang bleibt und einen Energieüberschuss erzeugt, sind enorme Energien und starke Magnetkäfige nötig – bisher nähern sich Versuchsreaktoren wie Wendelstein 7-X diesem Zustand erst an. Andere, kompaktere Reaktoren existieren bisher nur auf dem Papier.

Tunneln durch die Abstoßungsbarriere

Doch es gibt möglicherweise noch einen einfacheren Weg, um Atomkerne zur Fusion zu bringen, wie nun Friedemann Queißer und Ralf Schützhold vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) berichten. Sie haben rechnerisch untersucht, ob sich eine Kernfusion nicht auch mit den starken elektromagnetischen Feldern in Freie-Elektronen-Lasern wie dem European XFEL erzielen lässt. Die Idee dahinter: Selbst in der Sonne macht erst ein quantenphysikalisches Phänomen die Kernfusion möglich – das Tunneln.

„Reicht die verfügbare Energie nicht aus, kann die Fusion auch durch Tunneln ermöglicht werden. Dabei wird die von der Kernabstoßung verursachte Energiebarriere bei niedrigeren Energien durchtunnelt“, erklärt Queißer. Dabei überwinden einige Atomkerne die Abstoßungsbarriere, weil ihre Wellennatur dies als Wahrscheinlichkeit zulässt. Ähnliche Prozesse, bei denen Atome Energiebarrieren durchtunneln, finden beispielsweise in Molekülen oder bei Elektronen statt.

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Reicht die Leistung aus?

Was aber bedeutet dies konkret für die Kernfusion im Röntgenlaser? Das haben die Forscher nun am Beispiel der Fusion von Tritium und Deuterium theoretisch untersucht. Demnach könnten die starken, wechselnden elektromagnetischen Felder im Elektronenlaser das Abstoßungsfeld der Atomkerne soweit überlagern, dass ein Tunneln wahrscheinlicher wird. Auch dies ist allerdings eine Frage der Energie: Je niedriger sie ist, desto unwahrscheinlicher wird das Tunneln.

Wie die Berechnungen ergaben, reichte die Leistung bisheriger Laseranlagen für das Tunneln tatsächlich nicht aus. Doch mit Freie-Elektronen-Röntgenlasern wie dem European XFEL könnte sich das ändern. Mit ihnen lassen sich bereits Leistungsdichten in einer Größenordnung von 10 hoch 20 Watt pro Quadratzentimeter erreichen, wie die Forscher berichten. „Damit stoßen wir in Bereiche vor, die eine Unterstützung solcher Tunnelprozesse mit starken Röntgenlasern möglich erscheinen lassen“, sagt Schützhold.

Tunneln noch immer rätselhaft

Schon jetzt könnten einige wenige Lasersysteme weltweit stark genug sein, um eine Kernfusion mittels Tunneln in Gang zu bringen, wie die Forscher erklären. Dazu gehören neben einigen Großforschungsanlagen in den USA und Japan auch der European XFEL in Hamburg. Dort sind mit der „Helmholtz International Beamline for Extreme Fields“ (HIBEF) bereits Experimente mit einzigartigen ultrakurzen und extrem lichtstarken Röntgenblitzen geplant.

Allerdings: Die in diesen Laseranlagen erreichte Kernfusion lässt zwar Atomkerne verschmelzen – bis zu einer Stromerzeugung mittels Kernfusion ist es jedoch noch ein weiter Weg – auch weil das Tunneln bei diesem und anderen Prozessen noch einige Rätsel aufgibt. „Unser Verständnis des Tunnelns ist noch immer weit davon entfernt, vollständig zu sein“, erklären Queißer und Schützhold. „Es bringt immer wieder Überraschungen, die uns zu weiteren Studien motivieren.“ (Physical Review C, 2019; doi: 10.1103/PhysRevC.100.041601)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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