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Physik

Kälteste Materie der Welt als Kühlmittel

Ultrakalte Atomwolke kühlt schwingende Membran nahe dem absoluten Nullpunkt

Eine Wolke von ultrakalten Atomen (rot) wird zur Kühlung der mechanischen Schwingungen einer millimetergrossen Membran (braun, in schwarzem Rahmen) verwendet. © Tobias Kampschulte, Universität Basel

Atomarer Quanten-Kühlschrank: Winzige Wolken ultrakalten atomaren Gases lassen sich auch als Kühlmittel einsetzen. Mit einem solchen quantenmechanischen System haben Schweizer Wissenschaftler eine schwingende Membran auf weniger als ein Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Diese Kühlmethode könnte unter anderem neuartige Präzisions-Messinstrumente ermöglichen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Nanotechnology“.

Nahe dem absoluten Nullpunkt der Temperatur bewegen sich Atome fast gar nicht mehr. Die Teilchen so stark abzubremsen ist allerdings nicht einfach: Man benötigt eine Vakuumkammer und Laserstrahlen, um die Atome bis auf Schneckentempo abzubremsen, ihre Temperatur beträgt dann weniger als ein Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Dann jedoch zeigen sie einzigartige Eigenschaften: Die winzige Wolke ultrakalter Atome gehorcht den Gesetzen der Quantenphysik: Die Teilchen bewegen sich wie kleine Wellenpakete durch den Raum und können sich in einer Überlagerung von mehreren Orten gleichzeitig befinden. In Atomuhren und Präzisionsmessgeräten lassen sich solche Wolken auch technologisch nutzen.

Winziges Trommelfell im atomaren Kühlschrank

Kann man diese ultrakalten Gase aber auch als Kühlmittel einsetzen, mit dem sich andere Objekte ebenfalls auf niedrige Temperaturen abkühlen lassen? Damit wären neue Untersuchungen der Quantenphysik möglich, eventuell auch in größeren Systemen als bisher. Das Problem dabei ist, dass die Atome mikroskopisch klein sind und selbst die größten bisher erzeugten Wolken von einigen Milliarden ultrakalten Atomen immer noch viel weniger Teilchen enthalten als etwa ein kleines Sandkorn. Damit ist die Kühlleistung der Atome begrenzt.

Forscher um Philipp Treutlein von der Universität Basel haben dieses Problem nun gelöst: Mit ultrakalten Atomen haben sie die Schwingungen einer millimetergroßen Membran gekühlt und damit gebremst. Die Membran ist ein 50 Nanometer dünner Film aus Siliziumnitrid, der wie das Fell einer kleinen quadratischen Trommel auf und ab schwingt. Solche sogenannten mechanischen Oszillatoren sind nie ganz in Ruhe, sondern vollführen Schwingungen, die von der Temperatur abhängen.

Mit einem Laserstrahl ließen die Forscher die ultrakalten Atome mit dieser Membran wechselwirken: „Das Laserlicht übt Kräfte auf Membran und Atome aus“, erklärt Erstautor Andreas Jöckel. „Schwingt die Membran, ändert das die Lichtkräfte auf die Atome – und umgekehrt.“ Der Laser überträgt die Kühlwirkung auf diese Weise über Distanzen von mehreren Metern, sodass sich die atomare Wolke nicht im direkten Kontakt mit der Membran befinden muss. Die erzielte Kühlleistung ist beachtlich: Auf weniger als ein Grad über dem absoluten Nullpunkt sinken die Schwingungen der Membran ab, obwohl die Membran rund eine Milliarde Mal mehr Teilchen enthält als die atomare Wolke.

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Neue quantenphysikalische Grundlagen-Experimente

Frühere theoretische Arbeiten hatten bereits Systeme vorgeschlagen, in denen ultrakalte Atome und mechanische Oszillatoren mithilfe von Licht gekoppelt werdenn. Treutlein und seine Kollegen haben dies nun auch experimentell umgesetzt. Die Kühlung mithilfe der Atome ist für die Forscher aber nur der erste Schritt: Mit weiteren technischen Verbesserungen erhoffen sich die Wissenschaftler, auch die Membran in den quantenmechanischen Grundzustand zu kühlen, in dem sich auch die Atomwolke befindet.

Dies könnte Grundlagenexperimente zur Quantenphysik in einem deutlich größeren mechanischen System als bisher ermöglichen – ein solches System könnte sogar mit bloßem Auge sichtbar sein. Zudem ließen sich sogenannte verschränkte Zustände von Atomen und Membran erzeugen. Diese würden die Messung der Membranschwingungen mit bisher unerreichter Präzision ermöglichen, was wiederum in neuartigen Sensoren für kleine Kräfte und Massen Anwendung finden könnte. (Nature Nanotechnology, 2014; doi: 10.1038/nnano.2014.278)

(Universität Basel, 25.11.2014 – AKR)

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