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Gesellschaft

Informationsquelle: News oder Social Media?

Wissenschaftler zeigen Korrelation zwischen mobiler Datennutzung und sozialem Status

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Aus welchen Quellen beziehen Menschen ihre Nachrichten? © Tero Vesalainen/ Getty images

Facebook oder klassische Nachrichten? Forscher haben einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau von Menschen und ihrer Art der mobilen Datennutzung festgestellt. Demnach werden in Wohngebieten mit einem höheren Bildungsniveau und höherem Einkommen eher direkte Nachrichten konsumiert, während in bildungsschwachen Wohnvierteln höhere Datenmengen durch Social Media generiert werden.

Die ursprüngliche Intention von sozialen Medien, Menschen im positiven Sinne miteinander zu verbinden, hat im Laufe der Entwicklung immer mehr Schattenseiten bekommen. Fake News und Hass im Netz gehören schon seit längerem zum Alltag der sozialen Medien und sollen sogar Einfluss auf Wahlen und politische Entscheidungen haben. Untersuchungen haben gezeigt, dass beispielsweise unter der US-Bevölkerung ein Zusammenhang zwischen Social Media als Informationsquelle und dem Bildungsniveau der Nutzer besteht. Demnach sollen bildungsferne Schichten eher auf diese Art der Informationsbeschaffung bauen, während gebildetere Gruppen auf klassischere Quellen setzen.

3,7 Milliarden Datenverbindungen analysiert

Iñaki Ucar von der Universität Carlos III zu Madrid hat mit seinem Team nun untersucht, inwieweit sich Handydaten zu Informationsquellen mit dem sozioökonomischen Status eines Wohngebietes in Verbindung bringen lassen. Dazu haben sie vom französischen Netzbetreiber Orange erhobene Nutzungsdaten analysiert. Ziel der Untersuchung war es, anhand eines so entwickelten Modells demografische Vorhersagen durch Handydaten treffen zu können.

Die Grundlage der Untersuchung war ein Satz von gut 3,7 Milliarden Aufzeichnungen von mobilem Datenverkehr, den Orange 2017 laut eigener Aussage DSGVO-konform erhoben hat. Die Daten enthielten sowohl zeitliche als auch durch Handymasten zugeordnete geografische Spezifikationen und konnten durch Fingerprints bestimmten Apps zugeordnet werden. Um nur Daten zu berücksichtigen, die wahrscheinlich am jeweiligen Wohnort der Person entstanden sind, schlossen die Wissenschaftler nur solche mit in die Untersuchung ein, die zwischen 20 und 6 Uhr auftraten.

Das Gegenstück bildete der französische Zensus von 2014/2015, in dessen Datensatz sozioökonomische Eigenschaften wie Einkommen, Bildungsniveau und soziale Ungleichheit über bestimmte Areale gemittelt wurden. Die spanischen Wissenschaftler vereinten die beiden Datensätze über geografische Schnittmengen und untersuchten dann, ob es Zusammenhänge zwischen bestimmten Apps und sozioökonomischen Ausprägungen gibt.

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Große Unterschiede zwischen sozialen Gruppen

„Zusammenfassend können wir sagen, dass Gebiete mit hohem Einkommen und hohem Bildungsniveau mehr Traffic in informationssuchenden Bereichen, also Nachrichten, Google und Mail, im Onlinehandel und in Musikstreaming generieren“, so die Forscher in ihrem Bericht. „Währenddessen tritt in Arealen mit geringeren sozioökonomischen Indikatoren ein höherer Traffic durch Social Media und Videostreaming auf.“

Auch im Bereich Mobile Gaming wiesen die Wissenschaftler auf eine spezielle Besonderheit hin: „Während Candy Crush eher in Gebieten mit niedrigem Einkommen und Bildungsgrad genutzt wird, ist es bei Clash of Clans genau umgekehrt.“

Mehr Streaming durch Android-Nutzer

Zusätzlich fanden die Forscher bestimmte App-Cluster, die häufig zusammen auftraten. Durch systemspezifische Apps wie dem Apple App Store und Google Play konnten den Clustern auch bestimmte Betriebssysteme zugeordnet werden. Demnach trat bei Apple-Nutzern verstärkt informative Datennutzung auf, während auf Android-Handys eher Videostreaming und Gaming betrieben wurde.

„Auch der Social-Media-Verkehr unterscheidet sich zwischen den beiden Gruppen: Während der Instagram- und Twitter-Traffic eher mit der Nachrichten- und Mail-Gruppe korreliert, tritt eine starke Facebook- oder Snapchat-Nutzung zusammen mit allgemeinem Videostreaming und Google Play auf“, so die Wissenschaftler.

Vorhersagen mit 80 Prozent Trefferquote

Des Weiteren gibt es laut der Studie einen Zusammenhang zwischen der sozialen Ungleichheit eines Wohngebietes und dem bevorzugten Betriebssystem: „Ein besonders gutes Anzeichen für Ungleichheit ist die Verbreitung von iOS-Geräten in Gebieten, in denen die Einkommensunterschiede größer sind, und von Android-Geräten in Gebieten, in denen der wirtschaftliche Status der Bevölkerung homogener ist.“

Die Unterschiede im Nutzungsverhalten sind laut den Forschern so groß, dass sie sozioökonomische Verteilungen nur anhand generierter Handy-Daten mit einer Trefferquote von 80 Prozent vorhersagen können. Sie weisen allerdings auch zusätzlich darauf hin, dass es durch das gewählte Zeitfenster zu Ungenauigkeiten kommen kann.

„Es ist möglich, dass verschiedene demografische Gruppen ähnliche Gesamtmuster des mobilen Konsums aufweisen, die sich jedoch unterschiedlich über den Tag verteilen“, so die Wissenschaftler. Auch die Nutzung des heimischen WLANs konnte in den Mobilfunkdaten nicht berücksichtigt werden.

Ansatz gegen zunehmende Polarisierung?

Die Forscher hoffen mit ihren Erkenntnissen den Umgang mit sozialer Ungleichheit und den Zugang zu Informationen weiter zu verbessern. „Angesichts der Tatsache, dass Polarisierung und die Verbreitung von Fake News in sozialen Medien verbreiteter sind, könnten unsere Ergebnisse auch genutzt werden, um jene Bevölkerungsgruppen und Gebiete zu identifizieren, die für diese Probleme anfälliger sind“, so die Wissenschaftler.

Ob und wie genau die Nutzung von Social Media als Informationsquelle einen Einfluss auf die Entwicklung einer Bevölkerungsgruppe hat, kann hier allerdings nicht geklärt werden. „Unsere Ergebnisse sind deskriptiv und implizieren keine kausalen Zusammenhänge. Trotzdem glauben wir, dass sie dazu genutzt werden könnten, auf wichtige und bisher übersehene Faktoren der sozioökonomischen Ungleichheit hinzuweisen.“ (Journal oft he Royal Society, 2021; doi: 10.1098/rsif.2021.0350)

Quelle: Journal of the Royal Society

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