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Raumfahrt

Im All brennt Feuer „verkehrtherum“

Flamme breitet sich gegen den Luftstrom aus statt mit ihm

Flammen
Der Luftstrom kommt von unten, doch diese Flammen wandern ihm entgegen – schuld ist die Schwerelosigkeit. ©ZARM

Verblüffende Beobachtung: Wenn in der Schwerelosigkeit ein Feuer ausbricht, verhält sich dieses ganz anders als auf der Erde. Denn die Flammen breiten sich nicht mit dem Luftstrom aus, sondern bewegen sich ihm entgegen. In einem Raumschiff eine Flamme auspusten zu wollen, wäre demnach eine wirklich schlechte Idee. Hinzu kommt, dass sich hinter der Flammenfront brennbares, noch nicht entflammtes Gas sammelt, das sich schnell entzünden kann.

Feuer ist auf einer Raumstation eine der größten Gefahren. Denn von dort kann man nicht einfach nach draußen flüchten. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie sich Feuer und Flammen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit verhalten. Ein wichtiger Unterschied: Auf der Erde steigt die erhitzte Luft mit der Flamme nach oben, von unten strömt frischer Sauerstoff nach und nährt die Flamme. Ohne Schwerkraft jedoch fehlt dieser Aufstrom und die Flamme zehrt den Sauerstoff der sie umgebenden Luft schnell auf und erlischt.

Feurige Experimente im Raumtransporter

Doch was ist, wenn ein Luftzug dem Feuer auf einer Raumstation frische Nahrung zuführt? Das hat nun ein Forschungsteam in der Schwerelosigkeit der Erdumlaufbahn untersucht. Weil offenes Feuer ein so hohes Risiko im All ist, fand das SAFFIRE-Experiment im leeren Cygnus-Raumtransporter statt – einem Versorgungsmodul, das Fracht zu ISS liefert, auf dem Rückweg Abfälle mitnimmt und dann in der Erdatmosphäre verglüht.

Kurz nach dem Abdocken von der ISS begann der Feuertest: Ein geripptes Plexiglasstück wurde an einer Seite mit einem stetigen Luftstrom angeblasen – ähnlich wie bei einem Bauteil im Lüftungssystem der Raumstation. Der Luftdruck lag bei 70 Prozent des irdischen, der Sauerstoffgehalt der Luft bei 26 Prozent – dies entspricht den Bedingungen in künftigen Raumschiffen. Dann wurde – durch Zufall – eine Flamme nicht am Anfang, sondern am Ende des Systems entzündet.

Flamme brennt auf den Luftstrom zu

Es passiert Überraschendes: Statt auszugehen oder sich mit dem Luftstrom auszubreiten, wanderten die Flammen dem Luftstrom entgegen. Bei normaler Schwerkraft wäre dies unmöglich. „Was man auch sieht ist, dass sie keine brennende Fläche hinter sich lassen“, erklärt Christian Eigenbrod vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Ungewöhnlich auch: Zündet man die Flamme am Anfang des Luftstroms an, wandert sie nicht mit der Luft mit, sondern bleibt stationär.

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Aber warum? Der Grund ist auch hier die Schwerelosigkeit: Weil erhitzte Luft nicht aufsteigt, bleiben die Gase in der Flamme geschichtet und mischen sich nicht. Frischen Sauerstoff bekommt die Flamme daher nur dort, wo sie vom Luftstrom getroffen wird. Dementsprechend ist die Flamme hier am aktivsten und breitet sich überraschend schnell der Luftströmung entgegen aus, wie die Wissenschaftler erklären.

Feuer in der Schwerelosigkeit.© ZARM

Verpuffungsgefahr durch unverbrannte Gase

Und noch etwas ist anders: Die Flamme schirmt den unter ihr aufgeheizten und ausgasenden Bereich gegen Luftzutritt und Verbrennung ab. Dadurch kann sich das hinter ihr ruhende Gas nicht entzünden. Im Experiment sieht man deshalb, dass die gegen die Anströmung vorwärtswandernde Flammenfront keine brennende Fläche hinterlässt. Stattdessen wird unter ihr viel brennbares aber unverbranntes Rauchgas produziert.

Das aber bedeutet: Schon die kleinste Störung der Luftströmungen kann dieses heiße, unverbrannte Rauchgas mit Sauerstoff versorgen und zu einer dramatischen Verpuffung führen. Ähnliches passiert, wenn sich bei einem irdischen Wohnungsbrand eine Schicht heißer, brennbarer Gase unter der Decke sammelt und diese dann durch Öffnen eines Fensters abrupt frischen Sauerstoff bekommt – es kommt zu einer gefährlichen Flammenwolke.

Tatsächlich hat das Team des SAFFIRE-Experiments eine solche Verpuffung auch schon im All erlebt: Beim Vorgänger-Experiment schien die Flamme im Cygnus-Transporter bereits erloschen und der Luftstrom wurde wieder angeschaltet. Dadurch kam es zu einem plötzlichen und starken Wiederaufflammen des Feuers.

Löschen kann gefährlicher sein als Nichtstun

Dies sind wichtige Erkenntnisse für den Ernstfall – für das Löschen eines Feuers auf der Raumstation ISS oder in einer Raumkapsel. Denn wenn sich ein Crew-Mitglied in der Nähe des Feuers schnell bewegt oder Löschversuche mit einem Strahl unternimmt, kann dies den Luftstrom erzeugen, der die Flammen erst recht anheizt. Im schlimmsten Fall kommt das Feuer der Person sogar direkt entgegen.

Bei der Auswahl der Feuerlöschtechnik wird man daher sehr genau abwägen müssen, ob und wann ein aktives Eingreifen überhaupt sinnvoll ist, erklären die Wissenschaftler.

Quelle: Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)

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