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Geowissen

Hurrikans: Neue Gefahr für Ölarbeiten und Pipelines?

Forscher warnen vor starken Zerstörungskräften von Wirbelstürmen am Meeresboden

Helfer beim Ausbringen von Ölbarrikaden vor Louisiana © BP p.l.c

Noch sind die Versuche, die Ölkatastrophe im Golf von Mexico zu stoppen, in vollem Gange, da bahnt sich schon das nächste Problem an: Am 1. Juni beginnt die Hurrikansaison im Atlantik. Eine neue Studie zeigt, dass Wirbelstürme die Sicherheit von Ölpipelines am Meeresgrund gefährden könnten. Die von ihnen erzeugten Wasserturbulenzen können ungenügend vergrabene Leitungen beschädigen und Lecks erzeugen, wie die Forscher in „Geophysical Research Letters“ berichten.

Noch immer versucht der Ölkonzern BP, den Ölausstritt am Bohrloch der „Deepwater Horizon“ mit dem „Top Kill“ Verfahren zu stoppen. Seit gestern werden Schlamm und Sand unter hohem Druck ins Bohrloch gepumpt, die wie ein „Korken“ das austretende Öl aufhalten sollen. Bisher allerdings kann kein Erfolg vermeldet werden, Nach Angaben von BP dauert es noch weitere 24 bis 48 Stunden, bis endgültig feststeht, ob die Operation erfolgreich ist. Erst wenn der Schlamm durch einen Zementpfropf ersetzt ist, gilt das Bohrloch als einigermaßen gesichert. Ob es dazu überhaupt kommen kann, ist noch ungewiss.

Hurrikansaison beginnt

Doch die Zeit könnten den Rettungsversuchen davonlaufen: Am 1. Juni beginnt im Atlantik offiziell die Hurrikansaison. Ab dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Wassertemperatur in tropischen Gewässern die kritische 27°C-Grenze überschreitet, die die Wirbelstürme für ihre Entstehung brauchen. An der Meeresoberfläche kann ein solcher Sturm 20 Meter hohe Wellen vor sich her treiben, für etwaige Einsätze am Ölleck wäre dies fatal. Doch auch bisher noch intakte Ölinfrastrukturen könnten gefährdet sein.

Die Effekte eines Hurrikans unter Wasser waren bisher kaum bekannt. Doch Wissenschaftler des U.S. Naval Research Laboratory am Stennis Space Center in Mississippi haben jetzt Daten ausgewertet, die im Jahr 2004 während des Kategorie-4-Hurikans Ivan im Golf of Mexico gewonnen wurden. Damals zog das Auge des Sturms direkt über ein Netz von Sensoren hinweg, die zur Strömungsbeobachtung am Grund des Golfs installiert worden waren.

Sandstrahlgebläse am Meeresgrund

Die Sensordaten enthüllten zum ersten Mal, dass Hurrikans heftige Unterwasserturbulenzen noch in größerer Tiefe als bisher angenommen erzeugen können. Die Strömungen direkt am Meeresboden schrubbten den Untergrund förmlich blank, wie mit einem Sandstrahlgebläse. „Normalerweise sieht man so etwas nur im flachen Wasser, wo Wellen sich auf dem Strand brechen und dabei den Sand aufwirbeln“, erklärt der Meeresforscher David Wang. Akustische Messungen zeigten, dass die erzeugten Strömungen so viel Sediment aufwirbelten, dass das Wasser bis zu 25 Meter über dem Grund noch völlig undurchsichtig wurde.

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Signifikante Schäden noch in 90 Metern Tiefe

Doch noch entscheidender waren die Ergebnisse der Sensoren, die die Stärke der einwirkenden Kräfte maßen. Denn diese enthüllten, dass schon ein Wirbelsturm deutlich schwächer als „Ivan“ ausreicht, um bis in 90 Meter Tiefe signifikante Schäden anzurichten. So unterspülte das Wasser Bereiche des Untergrunds und erreichte vielerorts die kritische Grenze, ab der auch unterseeische Erdrutsche ausgelöst werden können. Und der Druck ließ keineswegs nach, sobald der Wirbelsturm abflaute, wie die Forscher überrascht feststellten. „Die Belastungen am Meeresboden dauerten ungefähr eine Woche, erklärt Hemantha Wijesekera, Hauptautor der Studie. „sie gehen nicht weg, selbst nachdem der Hurrikan vorüber ist.“

50.000 Kilometer Pipelines gefährdet?

Angesichts der Tatsache, dass allein über den Meeresboden des Golfs von Mexico mehr als 50.000 Kilometer Pipelines verlegt sind, halten die Forscher dies für Besorgnis erregend. Sie halten es für durchaus möglich, dass die starken Strömungskräfte die Ölleitungen beschädigen und so für Leckagen sorgen. „Große Lecks aus beschädigten Ölpipelines könnten irreversible Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben”, warnen die Forscher. Die meisten Lecks würden vermutlich eher kleiner ausfallen, sie wären daher nur schwer bis gar nicht zu entdecken und nur unter großen Kosten und mit viel Aufwand zu reparieren.

„Die Kraft des Hurrikans ist ziemlich groß, daher sollte die Ölindustrie hier große Vorsicht walten lassen“, so Wijesekera.

(Office of Naval Research, 28.05.2010 – NPO)

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