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Chemie

Hochdruck-Rekord: Osmium bleibt standhaft

Experiment enthüllt ungewöhnliches Verhalten des schwersten Metalls der Erde

Hexagonale Kristallstruktur des Osmiums vor einer Osmiumprobe © Periodictableru / CC-by-sa 3.0

Ungewöhnlicher Rekord: Osmium widersteht extremsten Drücken ohne seine Kristallstruktur zu ändern, wie ein Experiment jetzt belegt. In ihm setzten Forscher das Metall dem doppelten Druck des Erdkerns aus – ein Rekord für einen Laborversuch. Doch statt seine innere Struktur zu ändern, wurde das Osmium einfach nur dichter – bis sogar die inneren Elektronen seiner Atome miteinander wechselwirkten. Das ist ein Novum für ein so inkomprimierbares Metall, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

„Hochdruck verändert die Eigenschaften vieler Stoffe radikal: Metalle wie Natrium werden zu transparenten Isolatoren, Gase wie Sauerstoff werden dagegen fest und elektrisch leitend, manche sogar zu Supraleitern“, erläutert Erstautorin Natalia Dubrovinskaia von der Universität Bayreuth. Bei den meisten Feststoffen ändert sich unter Kompression zudem die Kristallstruktur – so wird aus simplem Kohlenstoff der extrem harte Diamant und im Erdmantel macht das Olivin mit zunehmender Tiefe sogar mehrere Umwandlungen seiner Struktur durch.

Sonderling Osmium

„Wie bei jedem anderen Material unter sehr hohem Druck, sollte sich auch bei Osmium die Kristallstruktur ändern“, so die Forscherin. Doch metallisches Osmium (Os) ist eines der ungewöhnlichsten chemischen Elemente: Es besitzt bei Normaldruck die höchste Dichte aller Elemente sowie eine der höchsten Bindungsenergien, einen der höchsten Schmelzpunkte und eine sehr geringe Kompressibilität – es lässt sich fast ebenso wenig zusammenpressen wie Diamant.

Wegen seiner außergewöhnlichen Härte wird Osmium unter anderem in Legierungen elektrischer Kontakte eingesetzt, außerdem für stark beanspruchte Maschinenteile sowie als Schreibspitze in hochwertigen Füllfederhaltern. Wie sich das Osmium allerdings unter extrem hohem Druck verhält, war bisher unbekannt. Die bisherigen Experimente reichten nur bis Drücken von maximal 75 Gigapascal – das entspricht etwa dem 750.000-fachen des normalen Luftdrucks, ist aber deutlich weniger als beispielweise im unteren Erdmantel herrscht.

Die Osmium-Probe (rot) misst nur drei Mikrometer und sitzt zwischen zwei Halbkugeln aus nanokristallinem Diamant. © Elena Bykova/ Universität Bayreuth

Rekorddruck dank Nanodiamanten

Um das Verhalten des Osmiums unter extremem Hochdruck zu untersuchen, nutzten Dubrovinskaia und ihre Kollegen eine eigens von ihnen konstruierte zweistufige Diamantstempelzelle. Sie besteht aus Stempeln nanokristallinen Diamants, die nur 10 bis 20 Mikrometer Durchmesser haben. Die vielen Korngrenzen der Nanokristalle machen diese Mikro-Stempel härter als einen Diamanten-Einkristall.

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Mit dieser Spezialapparatur erzeugten die Forscher den höchsten Druck, der jemals in einem Labor erreicht worden ist – 770 Gigapascal, das entspricht mehr als dem doppelten Druck des Erdkerns. Um die Eigenschaften von Osmium unter diesen Extrembedingungen zu untersuchen, nutzten die Forscher hochbrillante Röntgenstrahlung der Forschungslichtquelle PETRA III am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY) in Hamburg sowie zwei weiteren Röntgenquellen in Frankreich und den USA.

Stabil selbst unter extremem Druck

Das überraschende Ergebnis: Im Gegensatz zu den meisten andern Metallen behält Osmium seine hexagonale Kristallstruktur selbst bei so gewaltiger Kompression. Mit steigendem Druck schrumpft nur das Volumen der sogenannten Einheitszelle im Osmiumgitter – der kleinsten, im Kristall zigfach wiederholten Atomanordnung. Osmium besitzt damit eine unerreichte strukturelle Stabilität, wie die Forscher berichten.

So sieht die zweistufige Diamantstempelzelle von außen aus © Universität Bayreuth

Aber ganz spurlos geht der Hochdruck selbst am Sonderling Osmium nicht vorüber: Detailuntersuchungen enthüllten kleine Anomalien im Kristallgitter, die bei 150 Gigapascal und bei 440 Gigapascal auftraten. Wie die Forscher erklären, tritt die erste Anomalie auf, weil sich die äußeren Elektronen des Osmiums umgruppieren. Dies kommt auch bei anderen Elementen vor und kann die Materialeigenschaften verändern.

Interaktion der inneren Elektronen

Spannender ist jedoch die zweite Anomalie bei 440 Gigapascal. Denn sie muss auf Wechselwirkungen der Innenelektronen benachbarter Osmiumatome im Kristall zurückgehen, wie Dubrovinskaia und ihre Kollegen berichten. Diese inneren Elektronen der Atomhülle beteiligen sich normalerweise nicht an Bindungen oder anderen Wechselwirkungen. „Deshalb gelten sie oft als irrelevant für die Eigenschaften eines Materials“, erklären die Forscher.

Doch wenn Osmium unter extremem Druck steht, wird der Kristall offenbar so stark komprimiert, dass sich die Elektronenhüllen der einzelnen Atome überlappen. Dadurch können selbst die kernnahen 5p und 4f-Orbitale miteinander interagieren, wie eine ergänzende Modellsimulation ergab. „Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass extreme Kompression selbst die Natur der Kernelektronen verändern kann“, konstatieren die Forscher.

Das Experiment hat damit grundlegend neue Einblicke in die Physik und Chemie in extrem komprimierter Materie geliefert. Das könnte beim Design von Materialien für Extrembedingungen helfen, aber auch dazu beitragen, die Vorgänge im Inneren von großen Planeten und Sternen aufzuklären. „Die Möglichkeit, die inneren Elektronen selbst in solch inkompressiblen Metallen wie Osmium in Experimenten mit statischem Hochdruck zu beeinflussen, bietet spannende Perspektiven für die Suche nach neuen Zuständen der Materie“, meint Koautor Leonid Dobrovinsky von der Universität Bayreuth. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14681)

(Nature/ DESY, 25.08.2015 – NPO)

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