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Medizin

Hochdosierte Handy-Strahlung stört Lernprozesse

UMTS-Effekt erzeugt Veränderungen im Ionenhaushalt des Gehirns

Handy am Ohr © SXC

Starke Handy-Strahlung kann Lernprozesse im Gehirn behindern – allerdings nur bei Ratten. Erstmals haben Neurowissenschaftler nachgewiesen, dass hochfrequente elektromagnetische Felder Veränderungen im Ionenhaushalt des Gehirns auslösen, die neuronales Lernen und synaptische Gedächtnisbildung stören. Gefahr für Handynutzer besteht aber nicht: Beim normalen Telefonieren werden solche starken Felder nicht erreicht. Anders sieht es allerdings bei Sicherheitsdiensten und dem Militär aus, hier empfehlen die Forscher regelmäßige Überprüfung.

Die Frage, ob Handystrahlung schädlich ist oder nicht, ist nach wie vor strittig. Handys mit UMTS-Technik erzeugen Strahlung von 2.100 MHz und relativ schwachen Feldstärken (3,8 – 4,8 V/m). Studien zeigen, dass solche Felder eine lokale, schwache Erwärmung im Gewebe auslösen können. Widersprüchliche Aussagen gibt es dagegen zu den nicht-thermischen Effekten von Handyfeldern. Dazu gehört zum Beispiel eine stärkere Durchlässigkeit der Zellwände, was zu Veränderungen des Ionenkanaleinbaus und der Stoffwechselprozesse führen kann, auch wenn keine Temperaturänderung messbar ist. Daraus könnten Beeinträchtigungen bei Lernprozessen im Gehirn entstehen.

Stress oder Strahlung?

Unter anderem deshalb werden die Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das Verhalten sogar schon seit den 1950er Jahren diskutiert. Bisherige Experimente konnten aber nur unzureichend klären, ob es sich bei den beobachteten Veränderungen um die Effekte nicht-thermischer Wirkung oder um die Auswirkungen von Stress handelt, der beispielsweise durch Umsetzen von Versuchstieren in eine ungewohnte Umgebung entsteht.

Um diese Frage zu klären, führten Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit Physikern der Universität Wuppertal eine neue Studie durch. Die Forscher setzten dafür Ratten für jeweils zwei Stunden unterschiedlich leistungsstarken nichtthermischen hochfrequenten Feldern im UMTS- Frequenzbereich aus. Die Feldstärken wählten die Forscher angepasst an die Hirnmasse der Ratten entsprechend der Standards, die für Menschen gelten. Die spezifischen Absorptionsraten betrugen 0, 2 und 10 Watt pro Kilogramm (W/kg).

Während der Exposition analysierten die Forscher elektrophysiologisch die Auswirkungen auf neuronales Lernen und synaptische Gedächtnisbildung. Zusätzlich untersuchten sie alle Tiere direkt nach der Exposition auf die Freisetzung von Stresshormonen. Zum Vergleich dienten Kontrolltiere, die ihren Käfig nicht verlassen mussten.

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Das Computermodell diente als Berechnungsgrundlage der hirnfokussierten, elektromagnetischen Feldexposition ohne lokale Gewebeerwärmung. Rot weist auf den Bereich der gezielten Feldexposition hin. © RUB

Auch die Strahlung beeinträchtigt Lernprozesse

Die Auswertung zeigt erstmals, dass ein Teil der in früheren Untersuchungen registrierte Stress nicht auf die Strahlung sondern auf den experimentellen Ablauf zurück zu führen ist. Trotz Trainings und ungezwungener Vertrautmachung der Tiere mit der Anlage löste der Versuch als solcher schon messbaren Stress aus, der auch deutlich das synaptische Lernen und die Gedächtnisbildung im Gehirn der Ratte beeinflusste. Aber: Auch starke elektromagnetische Felder (SAR 10 W/kg) beeinflussten signifikant das Lernen und die Gedächtnisbildung – zusätzlich zum ohnehin erzeugten Stress. Dagegen führten schwache elektromagnetische Felder (SAR 0 und 2 W/kg) zu keiner messbaren Beeinträchtigung.

Normale Handyfelder zu schwach um Effekt auszulösen

„Diese Ergebnisse kann man zwar nicht ohne Weiteres auf Menschen übertragen“, erklärt Nora Prochnow. „Aber sie zeigen am Tiermodell, dass elektromagnetische Felder im Prinzip Lernprozesse im Gehirn beeinträchtigen können. Sorgen braucht man sich trotzdem nicht zu machen: Menschen sind beim Telefonieren nicht ausreichend starken Feldern ausgesetzt. Anders sieht es in speziellen berufsbedingten Situationen aus, wie beispielsweise bei der Nutzung von körperassoziierten Antennen, wie sie in Sicherheitsdiensten und zu militärischen Zwecken verwendet werden. Dabei werden die höheren für Arbeiter definierten Expositionsgrenzwerte schneller erreicht und müssen kontrolliert werden.“ (PLoS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0019437)

(Ruhr-Universität Bochum, 21.06.2011 – NPO)

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