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Materialforschung

Gummiband mit Überraschungs-Effekt

Skurriles Experiment erzeugt ungewöhnliche, in der Natur seltene Hemihelix-Form

Je nach Form der Gummibänder entsteht eine Helix (oben), eine Störung (Mitte) oder eie Hemihelix. © Jiangshui Huang

Simple Gummibänder sorgen für eine Überraschung: Forscher haben daraus durch Zufall eine neue, in der Natur seltene Form erzeugt: eine Hemihelix. Diese Spirale wechselt in regelmäßigen Abständen ihre Drehrichtung – und das könnte durchaus praktischen Nutzen haben. Als elastisches Element oder Federung könnten solche Hemihelices in Technik und Nanotechnologie neue Anwendungen ermöglichen, wie die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.

In der Natur sind spiralig gewundene Formen allgegenwärtig: Rankende Pflanzentriebe wachsen oft korkenzieherartig und auch Wurzeln bilden solche Helixstrukturen, wenn sie besonders dichten Boden durchdringen wollen. Sogar unsere Erbsubstanz gleicht einer Doppelhelix. Wie diese Strukturen rein mechanisch aus flachen Ausgangsformen entstehen, ist bisher nur teilweise geklärt. Deshalb wollten Jia Liu und seine Kollegen von der Harvard University dies mit einem einfachen Experiment herausfinden.

Hemihelix statt Korkenzieher

Ihr Ziel: Aus zwei unterschiedlich langen, flachen Gummibändern eine helixförmige Feder erzeugen. Dafür kombinierten sie jeweils ein kurzes und ein langes Gummiband und spannten das kürzere, bis es mit dem zweiten gleich lang war. Dann klebten sie beide zusammen und ließen los. „Wir haben erwartet, dass sich diese Materialstreifen einfach nur krümmen – vielleicht in eine Rolle“, erklärt Seniorautor David Clarke.

Doch die Gummibänder dachten nicht daran. Stattdessen bildeten sie je nach Dicke und Stärke entweder regelmäßige Helices oder aber eine ganz unerwartete Form: eine Hemihelix. „Hemihelices bilden sich, wenn sich die Richtung, in der sich die Spirale dreht, periodisch entlang der Bandlänge umkehrt“, so Clarke.

Die Schritte zur Erzeugung einer Gummibandhelix oder -hemihelix: Zwei Gummibänder unterschiedlicher Länge dehnen und miteinander verbinden. Dann langsam loslassen. © Jia Liu

Einen ähnlichen Effekt kann man leicht selbst erzeugen, wenn man eine der alten, spiralig gewundenen Telefonschnüre an einem Ende festhält und das andere entgegen der Windungsrichtung dreht. An verschiedenen Stellen der Korkenzieherspirale bilden sich dann Beulen, an denen die Drehrichtung umgekehrt ist. In der Natur kommen solche „gestörten“ Helices allerdings sehr selten vor.

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Kein Zufall

In weiteren Gummiband-Experimenten untersuchten die Forscher anschließend, warum mal eine Helix und mal eine Hemihelix entsteht. Wie sich zeigte, steckt eine klare Gesetzmäßigkeit dahinter: Wenn ein Gummiband breit und sehr flach ist, bildet es beim Zusammenspannen mit einem gleichen, aber längeren Band eine normale Helix.

Ist das Gummiband aber etwas dicker und schmaler, entsteht trotz gleicher Spannung eine Hemihelix – ein kombiniertes Band mit regelmäßig wechselnder Drehrichtung. „Dabei gibt es keine Zufälligkeit, es ist vollkommen bestimmbar“, erklärt Liu. Ab einem bestimmten Verhältnis von Breite und Dicke entstehen die ersten Störungen der Drehrichtung. Nimmt dann die Dicke zu, vermehren sich auch die Wechsel.

Anwendungen in der Technik

Was zunächst wie eine Spielerei mit Gummibändern klingt, hat durchaus eine handfeste Bedeutung für Technik und Materialforschung: Denn je nach Anzahl der Wechsel und Störungen haben diese gewundenen Formen auch unterschiedliche Eigenschaften, die sich für Nanobauteile oder Sensoren nutzen lassen. „Aus mechanischer Sicht kann man sich diese Formen als Federn mit sehr unterschiedlichen Verhalten vorstellen“, erklärt Koautorin Katia Bertoldi. „Indem man ihre Geometrie verändert, kann man eine ganze Familie von Federn mit ganz verschiedenen Eigenschaften herstellen.“

Einige dieser Hemihelices könnten auch ungewöhnliche Eigenschaften besitzen, beispielsweise bei der Leitung von Licht, mutmaßen die Forscher. Sie sehen in ihren Gummibändern daher einen vielversprechenden ersten Schritt, komplexe dreidimensionale Formen gezielt zu erzeugen und für innovative Bauteile zu nutzen. (PLOS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0093183)

(Harvard University, 24.04.2014 – NPO)

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