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Geowissen

Grund des Lago Maggiore in 3D

Neues Sonar erzeugt erstes dreidimensionales und detailgenaues Bild des Seegrunds

Der Seegrund des oberen Lago Maggiore. © Eawag

Dank eines raffinierten Sonarverfahrens ist es Schweizer Forschern erstmals gelungen, detailgetreue Geländeaufnahmen vom Grund des Lago Maggiore zu gewinnen. Die neuen Bilder zeigen nicht nur Geschiebeablagerungen, unterseeische Rinnen und andere Strukturen zentimetergenau und in 3D, sie deuten auch darauf hin, dass sich der See in weiteren tausend Jahren in zwei kleinere Seen teilen wird.

Der Limnogeologe Flavio Anselmetti vom Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag ist begeistert: Derart detailgetreue Geländeaufnahmen vom Grund Schweizer Seen sind eine Neuheit. Zwei Wochen lang ist im Mai 2009 ein Team des Wasserforschungsinstituts mit dem Forschungsschiff Thalassa auf dem Schweizer Teil des Lago Maggiore hin und her gefahren und hat mit einem speziellen Sonar den Seegrund abgetastet. Küstenstaaten setzen das Verfahren schon länger ein, um den Grund ihrer Meere auf bathymetrischen Karten darzustellen. In der Schweiz ist es erst im Rahmen eines Pilotprojekts im Einsatz. Bisher wurden Teile des Vierwaldstättersees und des Genfersees vermessen, nun war auch der Lago Maggiore an der Reihe.

Im Unterschied zu konventionellen Echoloten ist es mit modernen Sonargeräten möglich, bei jeder Messung eine große Anzahl an Tiefenpunkten zu ermitteln. So können Tiefenwerte für jeden Quadratmeter des Seebodens bestimmt und schließlich mit dem Computer dreidimensionale Abbildungen des Grundes erzeugt werden. Jetzt sind die Bilder da: Sogar Unterwasserkabel oder – wie im Verzasca-Delta vor Tenero – kleine Trichter, aus denen Methangas austritt, sind sichtbar darauf.

Relikte früherer Mündungen

Aus den genauen Aufzeichnungen können die Forschenden Geschichten über die Seeentwicklung ablesen. Auffällig ist zum Beispiel, dass sich am Abhang des Maggiadeltas heute keine unterseeische Rinne befindet, sehr wohl aber in der Fortsetzung früherer Mündungen vor Ascona. Das lässt Rückschlüsse zu auf die Häufigkeit und Zusammensetzung der Geschiebezufuhr der Maggia. Ins Auge sticht auch, dass Ticino und Verzasca im Gegensatz zur Maggia keine fächerförmigen Deltas bilden, sondern ihre Ablagerungen entlang einer fast geraden Linie langsam nach Westen in den See vorschieben.

In 1.000 Jahren zwei Seen in?

Sehr gut sichtbar ist auf den neuen Unterwasserkarten, wie das Maggiadelta über kurz oder lang den obersten Teil des Sees abtrennen wird. Schon heute liegt die Schwelle, die sich bis an den Fuß des Gambarogno hinübergeschoben hat, höher als der Seegrund im östlichen Teil des Sees. Wie lange es dauern wird, bis vor San Nazzaro kein See mehr Wellen schlägt, sondern ein Fluss fließt, ist schwer zu sagen. „Sicher noch nicht in den nächsten 500 Jahren“, sagt Forscher Anselmetti.

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Die neuen Bilder können aber nicht nur Antworten auf Fragen geben, was in der Vergangenheit im See geschah. Sie dienen auch für Prognosen: Wo heute Ablagerungen an steilen Flanken sichtbar sind, könnte bei einem Erdbeben der Seegrund ins Rutschen kommen und eine tsunamiartige Welle auslösen. Oder die Karten können zur Überwachung der Geschiebezufuhr in die Seen genutzt werden. Denn ändert sich mit dem Klimawandel die Wasserführung der Bäche, verändern sich auch Geschiebetransport und Ablagerungen.

Anzeichen für instabile Abhänge?

Vorerst wollen die Forscher der Eawag aber einzelnen Strukturen noch näher unter die Lupe nehmen. Im Fokus haben sie unter anderem die kleinen rundlichen Vertiefungen im nördlichen Teil des Ticino-/Verzascadeltas. Diese „Pockmarks“ sind Zeichen für Gasaustritte in diesem Gebiet. „Ich glaube aber kaum, dass sich das Methangas sinnvoll nutzen lässt“, sagt Anselmetti, „doch die Gasquellen sind ein Zeichen, wo der Abhang instabil werden könnte.“

Die Verwendungsmöglichkeiten der exakten bathymetrischen Aufnahmen sind breit gefächert. Denkbar ist ein Monitoring des Kiesabbaus an den Flussmündungen. Am Vierwaldstättersee, wo die Eawag eine ähnliche Karte erstellt hat, haben die Archäologen Interesse angemeldet an den Bildern: Sie erhoffen sich Hinweise auf frühe Siedlungen, als die Seespiegel noch tiefer lagen. Und das Militär hat angeklopft, ob möglicherweise im See versenkte Munition mit dem neuen Verfahren aufgespürt werden könnte.

(Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag, 07.10.2009 – NPO)

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