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Physik

Genaueste Messung der Myonen-Lebensdauer

Neuer Wert für Fermi-Konstante gemöglicht genauere Berechnung der Stärke der schwachen Kernkraft

PSI-Forscher Bernhard Lauss an der Detektoranordnung, die zur Messung der Myonenlebensdauer verwendet wurde. © PSI/ F. Reiser

Forschern ist die bisher genaueste Messung der Lebensdauer eines Myons – eines sehr instabilen Elementarteilchens – gelungen. Diese Messung liefert damit den Wert für die so genannte Fermi-Konstante, einen der drei Faktoren, die die Stärke der schwachen Kernkraft bestimmen. Sie ist eine der vier Grundkräfte der Natur und für Vorgänge innerhalb des Atomkerns verantwortlich, beispielsweise für die Kernfusion. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlichten Ergebnisse ermöglichen eine genauere Bestimmung ihrer Stärke.

Die schwache Kernkraft ist eine der vier Grundkräfte der Natur. Obwohl wir in unserem Alltag kaum Vorgängen begegnen, die durch die schwache Kraft bestimmt werden, ist sie doch von großer Bedeutung. Einer der wesentlichen Erfolge beim Verständnis der subatomaren Welt war in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts bestand darin, dass Physiker gezeigt haben, dass die schwache und die elektromagnetische Kraft eigentlich zwei Aspekte einer einzelnen Wechselwirkung sind. Diese wird als elektroschwache Wechselwirkung bezeichnet und ihre Stärke wird durch insgesamt drei Parameter festgelegt – einer davon ist die Fermi-Konstante.

Lebensdauer des Myons als Schlüssel zur Stärke der schwachen Kraft

Nun hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Forschenden der Universität von Illinois, der Boston Universität und der Universität von Kentucky am Paul Scherrer Institut Experimente durchgeführt, dank denen die Fermi-Konstante nun so genau wie nie zuvor bestimmt wurde.

Der neue Wert der Fermi-Konstante wurde durch eine hochpräzise Bestimmung der Lebensdauer des Myons ermöglicht. Das Myon ist ein instabiles Elementarteilchen, das mit einer Lebensdauer von rund zwei Mikrosekunden zerfällt. Dieser Zerfall wird alleine von der schwachen Kraft bestimmt und es gibt einen recht einfachen Zusammenhang zwischen der Lebensdauer des Myons und der Stärke der schwachen Kraft.

„Die Bestimmung der Fermi-Konstante aus der Myonen- Lebensdauer setzt eine elegante und präzise Theorie voraus; aber bis 1999 war die Theorie nicht so gut wie die Experimente.“ erklärt David Hertzog, der zur Zeit der Messungen Forscher an der Universität von Illinois war und jetzt an der Universität von Washington arbeitet. „Seither haben mehrere Durchbrüche praktisch alle theoretischen Unklarheiten

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beseitigt. Die größte Unsicherheit bei der Bestimmung der Fermi-Konstante hing nun davon ab, wie genau man die Lebensdauer des Myons gemessen hatte.“

Messung 100 Milliarden Mal wiederholt

Das Experiment Muon Lifetime Analysis (MuLan) nutzte Myonen, die an der Beschleunigeranlage des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz erzeugt wurden – der stärksten Myonenquelle weltweit und dem einzigen Ort, an dem so präzise Experimente durchgeführt werden können. „Das Herzstück des Experiments waren spezielle Targets – Auffangscheiben –, in denen immer wieder Gruppen von

ankommenden positiven Myonen gestoppt wurden.“ erklärt Bernhard Lauss vom PSI. „Der Strahl wurde dann jeweils rasch abgeschaltet, wobei rund 20 Myonen im Target steckenblieben. Mit der Zeit zerfiel jedes dieser Myonen und sandte dabei als Zeichen seines Zerfalls ein schnelles Positron – ein positiv geladenes Elektron – aus.“

Unsicherheit von nur zwei Millionstel einer Millionstelsekunde

Die Positronen wurden von 170 Detektoren nachgewiesen, die das Target in Form eines riesigen Fußballs umgaben. „Wir haben den Vorgang für 100 Milliarden Myonenpakete wiederholt, dabei Billionen von einzelnen Zerfällen beobachtet und 100 Terabyte an Daten gesammelt, die für die spätere Auswertung im Supercomputer des amerikanischen Nationalen Hochleistungsrechenzentrums (NCSA) in Illinois gespeichert wurden“, erklärt Robert Carey von der Universität Boston.

Aus diesen Daten wurde die Verteilung der Lebenszeiten der einzelnen Myonen erstellt und daraus die mittlere Lebensdauer bestimmt, für die sich der Wert 2,1969803 ± 0.0000022 Mikrosekunden ergab. „Die Unsicherheit dieses Ergebnisses beträgt zwei Millionstel einer Millionstelsekunde – das ist ein wahrer Weltrekord“, so Carey.

(Paul Scherrer Institut (PSI), 26.01.2011 – NPO)

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