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Umwelt

Gefährlicher „Chemiecocktail“ in Autoklimaanlagen?

Kältemittel 1234yf entwickelt in Unfallsituationen giftige Flusssäuregase

Hauptschalter für eine Klimaanlage © gemeinfrei

Die Autoindustrie setzt weiter auf das Kältemittel 1234yf in Autoklimaanlagen. Dieses ist jedoch brennbar und entwickelt in Unfallsituationen giftige Flusssäuregase. Das belegen Untersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung und – prüfung (BAM), die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jetzt veröffentlicht hat.

Die BAM bestätigt damit einen entsprechenden Test der DUH aus dem vergangenen Jahr und andere, bislang unter Verschluss gehaltene Untersuchungen von Autoherstellern.

Lebensbedrohliches Risiko?

„Die Autoindustrie handelt grob fahrlässig, wenn sie weiterhin auf den Chemiecocktail 1234yf setzt und damit Autofahrer und andere Unfallbeteiligte einem lebensbedrohlichen Risiko aussetzt“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er forderte die Autokonzerne auf, zu ihrem Wort aus dem Jahr 2007 zu stehen und das natürliche Kältemittel CO2 in Autoklimaanlagen einzusetzen. Die Hersteller hatten vor zwei Jahren anlässlich der so genannten „grünen IAA“ im Vorstand des Verbands der Automobilindustrie (VDA) medienwirksam beschlossen, in Zukunft nur mehr das natürliche Kältemittel CO2 einzusetzen.

Inzwischen sind die Hersteller laut der DUH umgeschwenkt und betreiben in Deutschland und auf EU-Ebene intensive Lobbyarbeit für das von den US-Chemiekonzernen DuPont und Honeywell auf den Markt gebrachte Kältemittel 1234yf – eine leicht entzündliche und im Brandfall potenziell tödliche Chemikalie. Die Gefährlichkeit hat bereits Eingang gefunden in das so genannte Datenblatt der Chemiekonzerne. Im Auftrag der DUH hat die BAM Auswirkungen von Kältemittelleckagen im Motorraum eines Fahrzeugs untersucht. Die Ergebnisse wurden in einem Video dokumentiert.

Giftige Flusssäure wird frei

„Die BAM bestätigt unsere Tests aus dem vergangenen Jahr: Das von der Automobilindustrie favorisierte chemische Kältemittel 1234yf ist brennbar und setzt hochgiftige Flusssäure frei. Wer die Chemikalie in Fahrzeugklimaanlagen einfüllt, handelt unverantwortlich gegenüber allen Menschen, die in Zukunft unmittelbar oder mittelbar an Autounfällen beteiligt sind“, sagte Resch. Die Materialforscher haben unter Laborbedingungen Flusssäure-Konzentrationen von über 90 ppm (parts per million) gemessen und in der Folge schwere Korrosionen an der Fensterscheibe des Testautos festgestellt. Flusssäure ist bereits in geringsten Konzentrationen gesundheitsschädlich und kann irreversible Schäden hervorrufen.

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VDA-Präsident Matthias Wissmann stehe vor einem „Scherbenhaufen seiner Glaubwürdigkeit“, kommentierte Resch. Wissmann hatte sich 2007 dafür feiern lassen, den Beschluss der Vorstandsvorsitzenden der deutschen Autokonzerne über den Einsatz des natürlichen Kältemittels CO2 in Autoklimaanlagen herbeigeführt zu haben. „Seit der ruhmreichen Ankündigung der Deutschen Automobilindustrie, als Weltmarktführer für natürliche Klimaanlagentechnik voranzugehen, ist faktisch nichts passiert“, so Resch weiter.

Automobilindustrie mit Verzögerungstaktik?

Entgegen den Zusagen würden zum 1. Januar 2011 keine neuen Auto-Modelle mit Klimaanlagen auf Basis natürlicher Kältemittel ausgeliefert. Die Automobilindustrie verstoße mit ihrer Verzögerungstaktik eindeutig gegen Sinn und Wortlaut einer EU-Richtlinie, die ab diesem Stichtag für neue Fahrzeugtypen weniger Klima schädigende Kältemittel als den bisher verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoff R134a vorschreibt.

Die Autoindustrie will mit ihrem Schwenk zu 1234yf offensichtlich Investitionskosten sparen und nimmt die Belastung mit hochgiftiger Flusssäure in Unfallsituationen billigend in Kauf, so die DUH. „Bereits bei vier ppm Flusssäurekonzentrationen müssen Rettungskräfte der Feuerwehr eine spezielle Ausrüstung tragen. Das Risiko, dass sich Fahrzeuginsassen und Rettungskräfte bei einem Autounfall schwere Verätzungen der Luft- und Atemwege zuziehen, ist enorm“, sagte der Verkehrsexperte Axel Friedrich.

Die im Herbst 2008 im Auftrag der DUH durchgeführten ähnlichen Tests zum Brandverhalten chemischer Kältemittel waren von Automobilherstellern und Chemieindustrie als „manipuliert“ zurückgewiesen worden. Als Versuchsfahrzeug der BAM kam nun ein VW Golf III zum Einsatz, der gemäß den Herstellerangaben mit der vorgegebenen Menge für Kältemittel und Öl befüllt war. „Die neuen Untersuchungen wurden von einer Bundesbehörde überwacht und durchgeführt. Sie bestätigen die Versuchsergebnisse der DUH aus dem vorigen Jahr“, sagte Friedrich.

CO2 als Alternative

Die DUH forderte daher den Verband der Automobilindustrie auf, die Einhaltung der Vorstandsentscheidung des VDA sicherzustellen und in neuen Fahrzeugtypen nur noch das natürliche Kältemittel CO2 einzusetzen. Die Auswahl des Kältemittels hat Einfluss auf die Effizienz der Fahrzeugklimaanlage und damit auf die Treibhausgasemissionen des jeweiligen Fahrzeugs.

CO2 als natürliches Kältemittel ist laut DUH die sicherste und umweltverträglichste Lösung. Zahlreiche Tests von unabhängigen Instituten bestätigen die Vorteile von CO2. Auch Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt fordern seit Jahren seine Einführung in Fahrzeugklimaanlagen. „Die innovative Technik ist serienreif entwickelt, CO2-Anlagen arbeiten effizient und können weltweit eingesetzt werden“, sagte Eva Lauer, Projektleiterin bei der DUH: „Die Hersteller müssen es nur noch tun.“

(Deutsche Umwelthilfe (DUH), 19.10.2009 – DLO)

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