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Psychologie

Fußball: Zu viele Topspieler schaden

Sind mehr als 50 Prozent Superstars in einer Mannschaft, leidet das Teamplay

Topspieler Neymar im Trikot der brasilanischen Nationalmannschaft © Ronnie Macdonald / CC-by-sa 2.0

Zu viel des Guten: Je mehr Top-Fußballer in einer Mannschaft, desto besser – so die gängige Annahme. Das aber stimmt nur bis zu einem bestimmten Punkt, wie französische Forscher festgestellt haben: Besteht mehr als die Hälfte des Teams aus Superstars, ist das kontraproduktiv. Gerade beim Fußball, bei dem es auf das gute Zusammenspiel ankommt, leidet dann das Teamspiel. Dies könnt auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft zu Überraschungen führen.

Sie heißen Ribery, Ronaldo oder Neymar: Solche Fußball-Topspieler gelten fast schon als Garant für ein gutes Abschneiden – bei der WM und anderswo. Kann ein Verein es sich leisten, kauft er daher Spielerstars dazu. Wie stark dies zugenommen hat, zeigt ein Blick in die deutsche Fußball-Bundesliga: Kamen 1963 nur rund zwei Prozent der Spieler aus dem Ausland, sind es heute 46 Prozent.

Die reichsten Clubs können die besten Spieler in ihrer Mannschaft versammeln und sind oft auch entsprechend erfolgreich – „Geld schießt Tore“. Unter anderem deshalb haben einige Forscher zur aktuellen Fußball-WM den Marktwert der Spieler in den Nationalmannschaften herangezogen, um den WM-Sieger vorherzusagen. Diesen Prognosen nach wären Spanien und Deutschland im Endspiel.

WM-Qualifikation als Testfall

Doch solche Rechnungen haben ihre Grenzen, wie Roderick Swaab von der europäischen Business School INSEAD in Fontainebleau und seine Kollegen nun aufdecken. „Mehr Talente verbessern die Teamleistung nur bis zu einem bestimmten Punkt“, erklären die Forscher. „Über diesen Punkt hinaus wirken sich zusätzliche Superstars eher negativ aus.“ Belege für diesen „Too much Talent“-Effekt liefern die Forscher in gleich mehreren Untersuchungen.

Superstar Lionel Messi im Trikot des FC Barcelona © Christopher Johnson / CC-by-sa 2.0

In einer davon ermittelten die Wissenschaftler zunächst den Anteil der Spieler in allen WM-Mannschaften von 2010 und 2014, die bei Top-Vereinen spielen oder für das FIFA-All Star Team 2010 ausgewählt wurden. Dann ermittelten sie anhand der FIFA-Daten, wie die verschiedenen Mannschaften in den Qualifikationsphasen vor den beiden Weltmeisterschaften abschnitten. Dabei wurden unter anderem Spielergebnisse, Bedeutung des Spiels und die Stärke des Gegners mit einbezogen.

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Leistungsknick bei mehr als 50 Prozent Superstars

Das Ergebnis: Passend zur gängigen Annahme „Je mehr Topspieler, desto besser“, spiegelte das Abschneiden der Mannschaften tatsächlich den Anteil der Superstars in ihren Reihe wieder – aber nur bis zu einem gewissen Punkt: Lag der Anteil der Topspieler in einer Mannschaft über 60 Prozent, sank die Teamleistung wieder ab.

„Ein Beispiel ist das enttäuschende Abschneiden der französischen Elf bei der WM 2010 oder das des niederländischen Teams bei der Europameisterschaft 2012“, berichten die Forscher. Ähnliches ergab eine zweite Untersuchung an Basketball-Teams der amerikanischen NBA-Liga. Dort sank die Leistung einer Mannschaft bereits ab, wenn mehr als 50 Prozent der Spieler Topstars waren.

Zu viele Stars stören das Teamplay

„Trainer, die zur WM auf möglichst viele Superstars setzen, könnten daher entgegen der weitverbreiteten Meinung sogar diejenigen sein, die sich in Brasilien als erste verabschieden müssen“, sagt Swaab. Der Grund für diesen „Too much Talent“-Effekt sehen die Forscher im Teamplay – der Fähigkeit der Spieler, auf dem Feld miteinander zu agieren und sich aufeinander einzustellen.

Beim Fußball und Basketball ist ein hohes Maß dieses Miteinander gefordert, deshalb kommen sich die Superstars auch ab einem bestimmten Punkt eher in die Quere. Bei einem eher auf Einzelleistungen beruhenden Sport wie dem Baseball zeigte sich dieser Effekt in den Untersuchungen daher auch nicht.

„Wenn Teammitglieder stark aufeinander angewiesen sind, ist es daher besser, eine Mischung aus Superstars und normalen, guten Spielern zu wählen“, so die Empfehlung von Swaab und seinen Kollegen. Sind bereits viele Superstars in einer Mannschaft vorhanden, dann ist es besonders wichtig, die Rollen, Positionen und Aufgaben genau zu definieren. Denn auch das zeigte die Studie: Wenn die Koordination im Team speziell trainiert wird, dann schwächt sich der „Too much Talent“-Effekt ab. (Psychological Science, in press)

(Association for Psychological Science, 13.06.2014 – NPO)

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