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Bildung

Fußball: Heimvorteil nur noch ein Mythos?

Studie: Heimmannschaften gehen immer seltener als Sieger vom Platz

Bei der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft hoffen die Gastgeber Österreich und die Schweiz auf den Heimvorteil. Von der lautstarken Unterstützung durch den „zwölften Mann auf dem Platz“ – die heimischen Fans – erwarten die Alpenkicker den entscheidenden Kick fürs eigene Spiel. Doch gibt es den Heimvorteil wirklich? Eine Wissenschaftlerin hat dies jetzt unter die Lupe genommen. Ergebnis: Ein gewisser Heimvorteil ist zwar vorhanden, doch im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren wird er immer geringer.

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Im Rahmen der neuen Studie hat Eva Heinrichs von der Technischen Universität Dortmund alle Spiele der ersten und zweiten Bundesliga sowie der spanischen, italienischen und englischen ersten Ligen seit 1963 analysiert.

Danach ging in der 1. Bundesliga bis zur Saison 87/88 in durchschnittlich 55,8 Prozent (%) aller Spiele die heimische Mannschaft als Sieger vom Platz. Danach sank der Wert immer weiter bis auf 43,8% in der Bundesliga-Saison 06/07. Das bedeutet, weniger als die Hälfte aller Spiele werden im heimischen Stadion noch gewonnen – von Heimvorteil kaum noch eine Spur.

Die erste und zweite Bundesliga zeigen dabei die gleichen Tendenzen: Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre kommt die Trendwende. War bis dahin der Heimvorteil vorhanden und stark, nimmt seit diesem Zeitpunkt die Bedeutung signifikant ab.

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Leistungsdichte schmälert Heimvorteil

Doch wo liegen die Gründe für den Rückgang des Heimvorteils? Heinrichs fand in ihrer Studie gleich mehrere Umstände, die den Chancenvorsprung für die Heimmannschaft schmälern. Zum einen sank die Anzahl der Tore pro Spiel. Waren es in den Anfangszeiten der Bundesliga noch durchschnittlich rund dreieinhalb, fielen in den letzten Jahren deutlich weniger als drei Tore pro Spiel. Gleichzeitig reduzierte sich die Anzahl der im heimischen Stadion erzielten Treffer, während die Auswärtstreffer annähernd konstant blieben.

Ein ähnliches Bild ergibt sich nach Angaben von Heinrichs bei den Ergebnissen: weniger Heimsiege, dafür mehr Auswärtssiege und Unentschieden. Für die Dortmunder Statistikerin ein Beleg dafür, dass die zunehmende Leistungsdichte im Profifußball den Heimvorteil schmälert.

In Italien ist alles anders…

Auch auf europäischer Ebene hat Heinrichs ihre Ergebnisse überprüft und 45.996 Partien der spanischen, italienischen und englischen ersten Ligen mit den gleichen statistischen Verfahren untersucht (19.056 England, 14.580 Spanien, 12.360 Italien). Und auch hier zeigt sich, der Heimvorteil wird immer geringer. Auswärtssiege, -treffer und Unentscheiden nehmen zu, Heimsiege und -tore nehmen ab. Lediglich die italienische Liga macht eine Ausnahme. Hier ist die Anzahl der Heimsiege über die Jahre hinweg annähernd konstant und auch die anderen Indices für den Heimvorteil entsprechen nicht immer den Werten der anderen Ligen.

…oder doch nicht?

Statistikerin Heinrichs hat hierfür jedoch eine Erklärung: „Italien war in den 70er und 80er Jahren bekannt für seinen Defensivfußball. Ein Blick auf die absoluten Zahlen und das Verhältnis von Auswärts- und Heimsiegen oder Auswärts- und Heimtoren zeigt, dass der italienische Fußball sich nur dem ‚Europäischen Niveau‘ angepasst hat.“ Also auch in Italien gilt: Der Riesen-Heimvorteil ist ein Mythos – aber schon seit langem.

Für ein Phänomen in puncto Heimvorteil muss Heinrichs jedoch eine Erklärung schuldig bleiben. Bei nahezu allen Zeitreihen konnte sie eine Niveauverschiebung mit statistischen Verfahren eindeutig nachweisen – die Statistikerin spricht hier von einem Strukturbruch.

Trendwende Ende der 1980er Jahre

Und diese Trendwende liegt bei allen Ligen Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Irgendetwas muss also im europäischen Fußball zu diesem Zeitpunkt passiert sein, was den Heimvorteil negativ – oder positiv aus Sicht der Gastmannschaft – beeinflusst hat. Doch obwohl die Statistikerin in vielen Foren über dieses Phänomen diskutierte, eine schlüssige Erklärung konnte ihr auch die Internetgemeinde nicht liefern.

(idw – Technische Universität Dortmund, 05.06.2008 – DLO)

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