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Biotechnologie

Forscher „zippen“ DNA

Verfahren macht Einschleusen größerer DNA-Mengen in Zellen möglich

Die Erbsubstanz wird für den Transport in die Zelle wie eine Computerdatei komprimiert und in der Zelle entpackt. © Bara Krautz

Gezippte DNA: Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich große Mengen genetischer Informationen komprimieren und in Zellen wieder dekomprimieren lassen. Ihr Verfahren funktioniert dabei im Prinzip wie das Zippen einer digitalen Datei. Dieser Ansatz eröffnet neue Möglichkeiten im Bereich der Biotechnologie und könnte künftig beispielsweise dabei helfen, genauere Diagnosemethoden für Krebs zu entwickeln.

Was tun, wenn sich ein umfangreiches Dokument oder ein hochauflösendes Bild nicht per E-Mail verschicken lässt? Man zippt es mit einer geeigneten Software auf handliche Größe. „Anstelle der Information ‚weiß-weiß-weiß–weiß-…‘ für jeden einzelnen Pixel einer weißen Linie, wird nur noch die Botschaft ‚tausendmal weiß‘ übermittelt“, erklärt Kobi Benenson von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Beim Empfänger angekommen, lässt sich die Information dann wieder auf die ursprüngliche Größe aufblasen.

Dieses Verfahren bei digitalen Daten inspirierte den Forscher und seine Kollegen zu einer ähnlichen Lösung für biologische Systeme. Sie tüftelten eine Methode aus, mit der sich die Erbsubstanz DNA gewissermaßen zippen lässt: Für den Transport in Zellen hinein wird sie verdichtet und erst innerhalb der Zellen zu voll funktionsfähiger genetischer Information zusammengebaut.

Klein verpackt – und wieder montiert

Das Grundprinzip des neu entwickelten Verfahrens entspricht dem beim Zippen einer digitalen Datei: „Elemente, die in der DNA-Sequenz, die eingeschleust werden soll, mehrmals vorkommen, werden nur einmal übertragen“, erklärt Benenson. Das betrifft beispielsweise Promotoren – Abschnitte auf der DNA, die regulieren, ob und wie das zugehörige Gen abgelesen wird. Enthält nun die DNA, die in eine Zelle transportiert werden soll, vier verschiedene Gene, die alle den gleichen Promotor haben, wird dieser nur einmal mitgeliefert.

Doch das Ausmerzen der Redundanzen ist noch nicht alles. Zusätzlich setzen die Forscher die DNA für den Transport in die Zelle auch nach speziellen Regeln zusammen, um sie möglichst kompakt zu verpacken. Ihr komprimiertes Paket versehen sie unter anderem mit verschiedenen Bindungsstellen für eine sogenannte Rekombinase. Dieses Enzym kann DNA-Stränge öffnen, drehen und neu zusammenfügen.

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„Die Rekombinase übernimmt die Rolle der Dekompressions-Software“, sagt Benenson. Sie stellt sicher, dass die Bestandteile der komprimierten DNA in der Zelle voll funktionsfähig zusammengesetzt werden. Für die vier Beispiel-Gene heißt das, dass jedes davon neu montiert wird und wieder seinen eigenen Promotor erhält.

Einschleusen genetischer Programme

Die Lösung der Forscher könnte insbesondere in der Synthetischen Biologie oder der Biotechnologie nützlich werden. Denn Wissenschaftler stoßen schnell an Grenzen, wenn sie große Mengen von Informationen in Form von DNA in Zellen einschleusen wollen. Das Problem: Die Transportvehikel, die sie derzeit dafür einsetzen, lassen sich nur mit einer begrenzten Menge DNA beladen.

Dass sich mit der Zipp-Methode tatsächlich sogar große „genetische Programme“ in Säugetierzellen einschleusen lassen, bestätigten weitere Experimente. Solche Programme aus einem ganzen Arsenal von biologischen Komponenten wie Proteinen und RNA sollen in Zellen bestimmte Aufgaben ausführen. Ziel von Benenson und seinen Kollegen ist es etwa, ein Programm für die Bekämpfung von Krebs zu entwickeln.

Genauere Diagnose dank Zipp-Methode?

Das Prinzip: Das Programm kann in einer Zelle bestimmte für Tumorzellen typische Stoffe erkennen, sogenannte Marker. Je nach deren Konzentration entscheidet es, ob die Zelle gesund ist oder ob es sich um eine Tumorzelle handelt. Diese könnte das Programm dann selbständig abtöten. Mit den derzeitig verfügbaren DNA-Transportvehikeln ist die Treffsicherheit bei der Entscheidung, ob es sich um eine gesunde oder eine Krebszelle handelt, noch nicht hoch genug, wie das Team berichtet.

Der Grund dafür ist, dass bisher nicht genügend verschiedene Marker auf einmal eingesetzt werden können. „Eine Kombination von vier bis sechs Markern wäre optimal“, erklärt Benenson. „Doch um all diese detektieren zu können, ist auch die entsprechende Anzahl von Sensoren notwendig, die die Marker erkennen. Mehr Sensoren – es handelt sich um Proteine, RNA- und DNA-Komponenten – heißt aber auch mehr DNA, die als deren Bauplan in die Zelle hinein muss.“ Die Forscher hoffen nun, dass solche Verfahren mithilfe ihrer Komprimierungs- und Dekomprimierungsmethode künftig optimiert werden können. (Nature Nanotechnology, 2017; doi: 10.1038/s41565-2017-0004-z)

(ETH Zürich, 16.11.2017 – DAL)

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