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Technik

Forscher warnt vor Ultraschall-„Smog“

Teilweise hohe Intensitäten von unhörbaren Schallwellen durch Sensoren und Lautsprecher

Ultraschall-Belastung auf einem Bahnhof, einfach gemessen mit einer Smartphone-App © Leighton / Proceedings of the Royal Society A

Unhörbare Beschallung: Ohne es zu merken, sind wir im Alltag zunehmend Ultraschallwellen ausgesetzt, wie ein britischer Forscher ermittelt hat. In Bahnhöfen, Schulen und sogar in Bibliotheken und Museen senden Lautsprecher, Türöffner und andere Geräte die für die meisten Menschen unhörbar hohen Frequenzen aus. Ob diese oft intensiven Schallwellen unserer Gesundheit und den Ohren schaden, ist jedoch bisher völlig ungeklärt, wie der Forscher warnt.

Als Ultraschall gelten die Frequenzen von Schallwellen, die oberhalb unserer Hörschwelle von rund 16 Kilohertz(kHz) liegen. Für sie galt bisher die Devise: „Was der Mensch nicht hört, das schadet ihm auch nicht“. Andererseits jedoch hat Ultraschall, gerade bei hohen Intensitäten, sehr konkrete Wirkungen: Ratten werden dadurch zeitweilig unfruchtbar, er macht die Bestrahlung von Tumoren wirksamer und kann sogar Objekte zum Schweben bringen.

Unhörbarer Smog

Durch die moderne Technik hat sich die Zahl der Ultraschall-Quellen in unserer Umwelt stark erhöht: Traten sie noch vor wenige Jahrzehnten nur bei bestimmten Bohrungen, Reinigungsgeräten oder als Nebeneffekt von großem Lärm auf, gibt es heute zunehmend Geräte, die über Ultraschall kommunizieren und auf Ultraschall basierende Sensoren. Auch Computer und drahtlose Ladegeräte können Ultraschall aussenden.

Um herauszufinden, wie stark der Ultraschall-„Smog“ in unserem Alltag ist, hat Tim Leighton von der University of Southampton dies an verschiedenen öffentlichen Orten gemessen. Das Hilfsmittel dafür: ein simples Smartphone oder Tablet. „Viele dieser Geräte besitzen Mikrophone, die auch Frequenzen oberhalb von 20 Kilohertz registrieren können“, erklärt der Forscher. „Wenn man eine App benutzt, die Spektrogramme anzeigt, kann man den Ultraschall als Ton oder Puls darin erkennen.“

Spektrogramm von gesprochenen Worten - ihre Frequenz liegt unterhalb des bei 16 kHz beginnenden Ultraschall-Bereichs. © Magica/ GFDL

Laute, spitze Töne

Das Ergebnis der Messungen: An vielen Orten existieren Ultraschalltöne oder -pulse von hoher Intensität. So registrierte der Forscher in der Food Hall eines großen Bahnhofs eine Belastung von 94 Dezibel für Töne um 20 Kilohertz, in einer Schule und in einem Museum immerhin noch zwischen 60 und 80 Dezibel. Oft sei die Quelle dieser hohen Töne das Lautsprechersystem, berichtet Leighton.

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„Das gemessene Signal würde, wenn wir es hören könnten, einem schrillen, durchdringenden Pfeifen ähneln“, beschreibt Leighton. Solche Signale stammen in öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfen und Schulen, aber auch in Kinos oder Sportanlagen meist von Lautsprechersystemen. Sie treten zwischen Verstärkern und Lautsprecher-Schaltkreisen auf und dienen unter anderem als Empfangsbestätigung.

Ursache für Kopfschmerzen und Übelkeit?

Nach Ansicht des Forschers könnte dieser intensive Ultraschall-Smog bei manchen Menschen für gesundheitliche Probleme sorgen. Er vermutet, dass die unhörbaren Schallpulse hinter unspezifischen Beschwerden wie Übelkeit, Tinnitus, Kopfschmerzen und Migräne-Attacken oder ein Druckgefühl stecken könnten. „Obwohl solche Symptome im Zusammenhang mit Ultraschall schon seit 40 Jahren berichtet werden, macht ihre unspezifische Natur es schwer, sie einer klinischen Ursache zuzuordnen“, sagt Leighton.

Ob und wie die unhörbar hohen Töne unserem Gehör oder unserer Gesundheit schaden, ist bisher völlig unklar. Zwar gibt es – sehr unterschiedliche – Vorschriften, um starke Ultraschallbelastungen am Arbeitsplatz zu vermeiden. Diese sind jedoch Jahrzehnte alt und beziehen sich meist auf hohe Breitband-Frequenzen – sozusagen ein Ultraschall-Rauschen, wie der Forscher erklärt.

Der durch die modernen Geräte erzeugte „Smog“ aus schmalbandigen, spitzen Tönen, wird dagegen weder berücksichtigt noch sind die Folgen bisher näher untersucht. Bei vielen Geräten sei nicht einmal angegeben, welche Intensitäten an Ultraschall sie aussenden, kritisiert Leighton. Er rät daher dringend zu weiteren Untersuchungen zur Belastung durch den Ultraschall-Smog und die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit. (Proceedings of the Royal Society A, 2016; doi: 10.1098/rspa.2015.0624)

(University of Southampton, 20.01.2016 – NPO)

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