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Biotechnologie

Forscher nutzen DNA lebender Zellen als digitalen Datenträger

Umkehrung eines Erbgut-Stücks speichert ein Bit an Information

US-Biotechnologen ist es gelungen, aus dem Erbgut einer lebenden Zelle einen wiederbeschreibbaren digitalen Datenträger zu machen: Mit zwei natürlichen Proteinen als Werkzeugen schufen sie auf der DNA von Bakterien das genetische Äquivalent eines Bits, also einer Informationseinheit, die einen von zwei definierten Zuständen annehmen kann. Während in der Computertechnik die Werte 0 und 1 verwendet werden, nutzen die Forscher in der Zelle die Orientierung eines bestimmten DNA-Stücks. In Zukunft könnte ein solches System beispielsweise helfen, die Produktion von Medikamenten in biotechnologisch genutzten Zellen zu überwachen, glauben die Wissenschaftler. Bis zu konkreten Anwendungen werde jedoch noch eine geraume Zeit vergehen, schreiben Jerome Bonnet von der Stanford University und seine Kollegen im Fachblatt „PNAS“.

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Eigentlich ist die DNA, die Erbsubstanz der Zelle, nichts anderes als ein Informationsspeicher. Sie allerdings gezielt so zu verändern, dass sich zusätzliche Daten darauf codieren, dauerhaft speichern und bei Bedarf auch wieder löschen lassen, ist bisher nur zum Teil gelungen. Viele der bis jetzt getesteten Systeme seien zu komplex und zudem zu anfällig für Veränderungen gewesen, schreiben Bonnet und seine Kollegen.

Auf die Richtung kommt es an

Ihr neues System arbeitet dagegen nach einem recht einfachen Prinzip. Es nutzt zwei Enzyme, die in der Natur von sogenannten Bakteriophagen produziert werden – Viren, die Bakterien befallen. Mit Hilfe dieser beiden Werkzeuge lässt sich ein genau definiertes Stück aus dem langen, fadenförmigen DNA-Molekül ausschneiden, umdrehen und in umgekehrter Richtung wieder einfügen. Die ursprüngliche Orientierung lasse sich mit einer binären 0 aus der Computertechnik vergleichen und die umgekehrte mit einer 1, erläutern die Forscher.

In der Praxis stellte sich die Aufgabe allerdings als etwas komplizierter dar als angenommen, berichtet das Team. Das größte Problem sei gewesen, die Zelle dazu zu bringen, die beiden Werkzeuge in exakt dem richtigen Verhältnis herzustellen. „Wenn beispielsweise beide gleichzeitig aktiv sind oder in den falschen Mengen vorliegen, kriegt man ein großes Durcheinander“, erzählt Mitautor Pakpoom Subsoontorn. Drei Jahre und 750 Versuche habe es im Endeffekt gekostet, das System stabil zu etablieren. Mittlerweile konnten die Forscher zeigen, dass der Speicher mindestens 100 Generationen lang funktioniert und dass sich die gespeicherte Information nach dieser Zeit noch auslesen lässt.

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Acht Bit in zehn Jahren

Das nächste Etappenziel von Bonnet und seinem Team ist die Vergrößerung ihres genetischen Festspeichers auf eine Kapazität von acht Bit, also einem Byte. Inklusive der drei bereits investierten Jahre gehen die Forscher davon aus, dieses Ziel in etwa einem Jahrzehnt erreicht zu haben. In Bezug auf mögliche Anwendungen halten sich sie sich dagegen ziemlich zurück. Denkbar seien jedoch vor allem Einsätze in der Biotechnologie, sagt Bonnets Kollege Drew Endy.

So gibt es zum Beispiel bereits heute eine Reihe von gentechnisch veränderten Bakterien und anderen Zellen, die Medikamente und Hormone wie etwa Insulin produzieren. Der eingebaute Speicher könnte künftig registrieren, wie häufig sich diese Zellen bereits geteilt haben und wie gut sie noch funktionieren, sagen die Wissenschaftler. Auch das Überwachen von Alterungsprozessen und den Vorgängen, die zum Entarten einer Zelle führen, im Labor sei denkbar.

doi: 10.1073/pnas.1202344109)

(PNAS, 22.05.2012 – NPO)

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