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Materialforschung

Forscher erzeugen Superkristall

Ultrakurzer Laserpuls bringt Mischkristall in einen zuvor unbekannten Materialzustand

Superkristall
Durch einen Laserpuls bildeten sich in einem heterogenen Material geordnete dreidimensionale Gitterstrukturen – ein Superkristall entstand. © L-Q Chen Group / Penn State

Exotischer Zustand: Ein einziger Laserpuls kann reichen, um ein „normales“ Material in einen exotischen Superkristall zu verwandeln – das belegen nun Experimente von US-Forschern. Ihnen ist es gelungen, durch raffinierte Schichtung des Ausgangsmaterials und einen gezielten Laserpuls eine neuartige Kristallstruktur zu erschaffen. Dieser Superkristall bleibt bei Raumtemperatur stabil und stellt einen ganz neuen Materialzustand dar, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Materials“.

Die meisten Feststoffe liegen in Kristallform vor: Ihre Atome oder Moleküle bilden ein geordnetes, periodisches Gitter. Dessen Struktur prägt die Eigenschaften dieser Materialien und macht sie beispielsweise zu Halbleitern, brechungsstarken Linsen oder Metamaterialien, die Licht stoppen oder als Frequenzverdoppler für Strahlung wirken. Forscher schätzen zudem, dass ein Drittel aller kristallinen Feststoffe topologische Materialien sind – sie zeigen ein exotisches elektrisches Verhalten.

Ein „frustriertes“ System

Einen weiteren exotischen Materiezustand haben nun Vlad Stoica von der Pennsylvania State University und sein Team entdeckt. Im Rahmen ihrer Studie hatten sie gezielt nach Übergangszuständen gesucht, die beim Rückfall eines Materials in den Grundzustand auftreten – aber normalerweise nur Sekundenbruchteile anhalten. Ihre Idee: Wenn man diese Zustände sozusagen einfrieren könnte, dann wäre die Erschaffung ganz neuer exotischer Materialien und Kristalle möglich.

Die Forscher vergleichen dies mit einem Ball, der einen Berghang hinunterrollt: Normalerweise bleibt er erst im Tal liegen – dem niedrigsten Energiezustand. Doch wenn man ein Hindernis schafft, beispielsweise einen Bergvorsprung, dann bleibt der Ball auch auf halber Höhe liegen. Physiker sprechen hier von einem „frustrierten System“: Es kann nicht komplett in den Grundzustand zurückfallen, weil es dafür eine lokale Energiebarriere überwinden müsste.

Widerstreitende Schichten

In ihrem Experiment nutzten die Forscher als Ausgangsbasis eine Unterlage aus Dyprosium-Scandat (DyScO3) – einem kristallinen Seltenerd-Oxid. Auf diesem Substrat züchteten sie wechselnde Schichten aus ferroelektrischem Blei-Titanat (PbTiO3) und nicht-ferroelektrischem Strontium-Titanat (SrTiO3). Der Clou dabei: Diese Kombination erzeugt sowohl mechanische als auch elektrische Spannungen im Material, weil die Gitterstrukturen der drei Kristallformen nicht zusammenpassen.

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Die Folge: „Das Strontium-Titanat wird gedehnt, was eine Polarisation in Schichtrichtung verursacht, und das Blei-Titanat wird komprimiert, was eine Polarisation quer zur Schichtung auslöst“, erklären Stoica und sein Team. Dadurch bildet sich ein „frustriertes“ System mit unregelmäßigen, zufällig verteilten Zonen verschiedener Zustände.

Durch Laserpuls zum Superkristall

Das Überraschende jedoch: Wenn dieses „frustrierte“ Material mit einem ultrakurzen Laserpuls beschossen wird, wechselt es in einen ganz neuen, geordneten Zustand – es wird zum „Superkristall“. Aus den gemischten Phasen wird eine einheitliche Struktur, in der Polarisation, Ladung und mechanische Spannung ein dreidimensionales geordnetes Muster bilden. „Zum ersten Mal haben wir beobachtet, dass ein einziger ultrakurzer Laserpuls eines solchen geschichteten polaren Materials eine weitreichende strukturelle Perfektion hervorrufen kann“, sagen Stoica und sein Team.

Die Struktur dieses neuartigen Superkristalls besteht aus orthorombischen Gitterzellen – Quadern mit ungleichen Kantenlängen. Mit einer Größe von 30 Nanometern an der längsten Seite sind diese „Superzellen“ ungewöhnlich groß. Die Forscher beschreiben dieses neuartige, exotische Material als „photoinduzierten, ladungsstabilisierten Superkristall“.

Stabil und reversibel

Das Entscheidende jedoch: Einmal erzeugt, bleibt dieser Superkristall bei Raumtemperatur stabil. Mindestens ein Jahr lang veränderte das neue Material seine Struktur nicht, wie die Wissenschaftler nachgewiesen haben. Erst wenn der Superkristall erhitzt wird, ändert sich dies: „Die Superkristall-Phase verschwindet bei einer kritischen Temperatur von rund 470 Kelvin“, berichten Stoica und sein Team.

Interessant auch: Die laserinduzierte Erzeugung des Superkristalls und seine Auslöschung durch Hitze sind reversibel und offenbar problemlos viele Male hintereinander wiederholbar. „Wir haben die Superkristall-Phase erfolgreich bei mehreren unterschiedlichen Proben geschrieben und wieder gelöscht“, so die Forscher. Diese Eigenschaft könnte möglicherweise praktische Anwendungen nach sich ziehen.

Koautor Gopalan erklärt die Erzeugung des Superkristalls.© Penn State University

Weg zu neuen Materialien

Nach Ansicht der Wissenschaftler demonstriert ihr „Superkristall“, dass sich durch die optische Manipulation von heterogenen Ausgangsmaterialien ganz neue Materialien und geordnete Superkristalle erschaffen lassen. „Das hat eine große Bedeutung für die künftige Erzeugung von künstlichen Nanomaterialien, die nicht durch traditionelle Verfahren herstellbar sind“, so Stoica und sein Team. (Nature Materials, 2019; doi: 10.1038/s41563-019-0311-x)

Quelle: Penn State

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