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Medizin

Fische als Versuchskaninchen für Weltraumkrankheit

Raketenmission soll neue Erkenntnisse über die Ursachen der Erkrankung liefern

Der Ausflug ins All des deutschen Astronauten Hans Schlegel an Bord der ISS musste wegen einer so genannten Weltraumkrankheit zunächst verschoben werden. Deutsche Forscher wollen nun den Ursachen dieser ungewöhnlichen Erkrankung auf die Spur kommen – bei Fischen.

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In einem Interview berichtet der Gravitationsbiologe Dr. Ralf Anken von der Universität Hohenheim über das bisherige Wissen zum Thema und über die unmittelbar bevorstehende Raketenmission, die neue Erkenntnisse über die Weltraumkrankheit bringen soll.

Frage: Sie planen für Samstag, den 16.02.2008, in Schweden einen Raketenstart mit Fischen, um Mechanismen und Therapien der Weltraumkrankheit zu erforschen. Warum wird es Menschen im Weltall überhaupt schlecht?

Dr. Ralf Anken: In der Schwerelosigkeit stimmen die Eindrücke von Auge und Gleichgewichtsorgan nicht mehr überein. Das Gehirn wird also mit unsinnigen Informationen geflutet.

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Frage: Und das verursacht Übelkeit?

Anken: Ein Beispiel aus dem Alltag: Sie sitzen im stehenden Zug, der Nachbarzug fährt los. Die Augen sehen und melden dem Gehirn: Wir fahren. Das Gleichgewicht hingegen merkt durch die fehlende Beschleunigung: Wir fahren nicht. Der Körper reagiert mit einem schummrigen Gefühl und es dauert einen Moment, bis das Gehirn die richtige Information annimmt. Schlecht wird es dem Menschen, wenn das Gehirn diesen Informationskonflikt nicht lösen kann. Es begreift nur, dass etwas im Körper nicht stimmt und nimmt zum Schutz an, der Körper sei vergiftet. Folge: Der Mageninhalt muss raus. Ähnliche Reaktionen spielen sich bei der Weltraumkrankheit ab.

Frage: Was wollen Sie denn mit dem Raketenstart für Fische herausfinden?

Anken: In unserer Arbeitsgruppe um Professor Dr. Reinhard Hilbig haben wir in früheren Experimenten herausgefunden, dass Fische unterschiedlich lange brauchen, um sich an die Schwerelosigkeit zu gewöhnen. Wir haben die Theorie, dass das an kleinen Schweresteinchen im Innenohr liegt, den sogenannten Otolithen. Wir nehmen an, dass eine Asymmetrie, also Größenunterschiede der linken gegenüber den rechten Steinen, Schuld ist, dass manche Fische länger brauchen, um sich an die Schwerelosigkeit anzupassen. Eine fehlerhafte Mineralisierung dieser Steinchen könnte auch der Schlüssel für die Ursache von einer Reihe Gleichgewichts-Krankheiten des Menschen sein.

Frage: Für welche?

Anken: Zum Beispiel für bisher weitgehend unerklärbare Krankheiten wie das Menière’sche Syndrom, von dem laut Schätzungen mehr als ein Prozent der Menschen betroffen sind. Bei dieser Krankheit leiden die Patienten unter schlagartig auftretendem Schwindel und Orientierungslosigkeit. Wir selbst befassen uns derzeit aber noch mit dem Phänomen Gleichgewichtsstörung als solches.

Frage: Und wie ist der Forschungsstand bei Therapien für die Weltraumkrankheit?

Anken: Es gibt zwar Tabletten, aber eine Therapiemöglichkeit ist bislang noch nicht bekannt – grundsätzlich muss das Gehirn lernen, sich auf visuelle Informationen zu verlassen. Da geht es den Menschen wie unseren Fischen: Auch die lernen schließlich, sich auf ihre Augen zu verlassen anstatt auf das Gleichgewicht.

(idw – Universität Hohenheim, 14.02.2008 – DLO)

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