Das direkte Greifen nach einem Gegenstand mit optimierter Kraftsteuerung kann für viele Träger von Handprothesen bald Realität werden. Denn deutsche Forscher wollen den Greifmechanismus und die elektrische Steuerung von Handprothesen wesentlich verbessern. Ziel der Forschungsarbeiten ist es, die Griffgeschwindigkeit, Griffkraft und Drehbewegungen bei jeder Öffnungsweite einer Hand proportional und unabhängig voneinander direkt aus der Intensität der Muskelsignale zu ermitteln.
Die derzeitigen Hand- und Armprothesen nutzen zur Steuerung die elektrischen Wechselspannungen, die bei der Kontraktion der Restmuskulatur entstehen. Diese so genannten myoelektrischen Signale werden an der Hautoberfläche mit kleinen Elektroden gemessen und zur Steuerung der Prothese eingesetzt. Ein elektronisches System ermöglicht bereits bei geringer Kontraktion das An- oder Abschalten von Elektromotoren, die über ein kleines Getriebe Mittel- und Zeigefinger sowie den Daumen bewegen.
Bisher muss ein Patient für das Öffnen oder Schließen einer Prothesenhand eine alternative Bewegung, die zum Beispiel dem Überstrecken oder Anwinkeln der Hand entspricht, ausführen, um Steuersignale mit den noch vorhandenen Muskeln zu erzeugen. Zur Einstellung der Steuerungsparameter und zur Beherrschung der Prothese ist eine längere Trainingsphase notwendig um die Bewegungsabläufe zu koordinieren und zu üben.
Synchronisierung von Muskelsignal und Greifbewegung
Nun beabsichtigt Professor Klaus Buchenrieder mit seinem Forscherteam im Institut für Technische Informatik an der Universität der Bundeswehr München, ein direktes Greifen ohne vorherige Einstellung der gewünschten Bewegung zu realisieren. Möglich wird die verbesserte Synchronisierung der Intensität der Muskelsignale und der gewünschten Greifbewegung durch ein am Lehrstuhl für Eingebettete Systeme und Rechner in Technischen Systemen entwickeltes Mess- und Regelsystem.
Messstörungen minimieren
Auftretende Störungen bei der Messung der Muskelsignale möchte Buchenrieder durch drei anstatt zwei Auflagepunkten bei den Oberflächenelektroden reduzieren. Durch selbst entwickelte Computerarchitekturen, Spezialhardware und neue Algorithmen sollen die myoelektrischen Signale schneller und realitätstreuer als bisher möglich für die Steuerung der Prothese weiter verarbeitet werden. „In den nächsten sechs Monaten werden wir einen wartungsarmen Prototypen entwickeln, der diese Anforderungen erfüllt und den Betroffenen ein Leben mit weniger Einschränkungen ermöglicht“, zeigt sich Buchenrieder optimistisch.
Auch den bisherigen Greifkomfort von Standard-Armprothesen, die wie bei einer Zange durch die Bewegung von einem Finger und des Daumens zugreifen, möchte Buchenrieder durch zwei unabhängig voneinander bewegliche Finger weiter entwickeln.
(idw – Universität der Bundeswehr München, 15.12.2006 – AHE)