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Physik

Exotische Materieform im Kristall

Forscher weisen erstmals die schon lange postulierten Excitonen nach

Excitonen (gelb) in einem Kristall. Diese Paare aus Elektronen und Elektronenlöchern verhalten sich wie ein Teilchen. © Peter Abbamonte/ University of Illinois

Nach rund 50 Jahren endlich entdeckt: In einem Kristall haben Physiker erstmals eine bisher nur theoretisch postulierte Materieform nachgewiesen. Dabei verbinden sich ein Elektron und ein Elektronenloch in einem Titan-Diselenid-Kristall zu einem exotischen Teilchen – einem sogenannten Exciton. Forscher haben seit rund 50 Jahren nach dieser Variante des Bose-Kondensats gesucht, jetzt ist der Nachweis dank einer neuen Messmethode gelungen, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Kühlt man normale Materie bis fast zum absoluten Nullpunkt herunter, kann eine exotische Materieform entstehen – ein Bose-Kondensat. In diesem Zustand verhalten sich die Atome oder Elektronen plötzlich wie eine Einheit – sie zeigen ein typisches Quantenverhalten in makroskopischem Maßstab. Solche Kondensate entstehen beispielsweise in heruntergekühlten Atomwolken, aber auch als Cooper-Paare in Supraleitern.

Die Theorie

Schon seit den 1960er Jahren haben Physiker eine weitere Form solcher Bose-Kondensate vorhergesagt, die sogenannte Excitonen. „Es handelt sich dabei um gebundene Zustände zwischen einem Elektron und einem Elektronenloch in einem Festkörper“, erklären Anshul Kogar von der University of Illinois in Urbana und seine Kollegen. „Je nach Theorie sollen diese Excitonen entweder superfluid sein oder sich wie isolierende Kristalle verhalten.“

Solche Elektron-Loch-Paare entstehen beispielsweise in Halbleitern, wenn ein Elektron durch Energiezufuhr angeregt wird und von seiner ursprünglichen Position ins Leiterband des Halbleiters springt. Es lässt dann eine Freistelle zurück, die sich wie ein positiv geladenes Quantenteilchen verhält. Dadurch wiederum zieht es das „entflohene“ Elektron an und beide bilden eine Art Boson – ein Exciton.

Verhältnis von Energie und Impuls im Exciton-Zustand. © Peter Abbamonte/ University of Illinois

Entdeckung im Titan-Selenid-Kristall

Jetzt ist es Kogar und seinen Kollegen erstmals gelungen, solche Excitonen und auch ihre Vorläuferstadien in einem Kristall nachzuweisen – durch Zufall. Denn die Forscher wollten eigentlich eine neue Messtechnik, die sogenannte Momentum-resolved Electron Energy-loss Spectroscopy (M-EELS) testen. Diese Methode erlaubt es, den Impuls eines Elektrons im Raum sehr genau zu messen.

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Die Forscher kühlten dafür einen Kristall aus nicht dotiertem Titan-Diselenid (1T-TiSe2) bis auf rund minus 80 Grad ab. Dabei stellten sie einen Energieabfall der Elektronen trotz vorhandenem Impuls fest. „Die Beobachtung eines Elektronenzustands, der auf Null Energie abfällt, deutet darauf hin, dass hier energiefrei ein Elektronen-Loch-Paar entstanden ist“, erklären die Forscher. „Das ist ein eindeutiger Beleg für die Kondensation solcher Elektronen-Loch-Paare zu Excitonen.“

„Enorme Bedeutung“

Erstmals haben die Physiker damit die Existenz dieses exotischen Materiezustands in einem Kristall belegt. „Dieses Ergebnis ist von enormer Bedeutung“, sagt Seniorautor Peter Abbamonte von der University of Illinois. „Seit der Begriff ‚Excitonium‘ in den 1960er Jahren geprägt wurde, haben Physiker versucht, die Existenz dieses Zustands zu belegen.“ Jetzt sei dies gelungen.

„Das war ein glücklicher Zufall“, sagt Kogar. „Auch wenn wir anfangs nicht sofort begriffen, was sich da im Titan-Diselenid-Kristall tat, wussten wir schnell, dass dies ein wichtiges Ergebnis ist.“ (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aam6432)

(University of Illinois, 12.12.2017 – NPO)

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