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Technik

EU: Elektroschrott-Entsorgung funktioniert nicht

Zwei Drittel der in Europa entsorgten Altgeräte und Elektronik versacken in dunklen Kanälen

Elektroschrott: Wertvolle Ressource für klnappe Rohstoffe © Francisco Valenzuela Gonzalez / iStock.com

Ein Großteil des europäischen Elektroschrotts landet nicht dort wo er soll: Zwei Drittel der entsorgten Geräte und Elektronik werden illegal exportiert, landen im normalen Müll oder werden gestohlen. Das ergab ein EU-weites Projekt der UN, von Interpol und weiteren Organisationen. Allein durch den Diebstahl wertvoller Metalle aus dem Schrott gehen in Europa bis zu einer Milliarde Euro jährlich verloren, berichten die Forscher.

Ob Handy, Fernseher oder die alte Waschmaschine: Alles, was einen Stecker oder eine Batterie hat, ist Elektroschrott. 48,9 Millionen Tonnen solcher elektronischer Geräte landeten 2012 weltweit im Müll. Das macht sieben Kilo für jeden Erdbewohner. Deutschland und viele EU-Länder liegen jedoch weit über diesem Durchschnitt: Bei uns produzierte jeder Einwohner im Schnitt 23,2 Kilo elektronischen Abfall.

Nur ein Drittel landet da, wo es soll

In der EU gibt es klare Vorgaben zur Entsorgung des Elektroschrotts – eigentlich. Die WEEE-Richtlinie schreibt vor, dass Elektroschrott gesondert gesammelt und fachgerecht entsorgt werden muss. Mindestens vier Kilogramm pro Person und Jahr müssen recycelt werden. Ob das funktioniert, hat nun ein EU-Projekt unter Beteiligung von Interpol, dem UN Interregional Crime and Justice Research Institute und der United Nations University in einem Zwei-Jahres-Projekt untersucht.

Elektoschrott-Verbleib nach Ländern. Rot markiert ist der in illegalen oder unbekannten Kanälen versackten Schrotts. © WEEE

Die Auswertung ergab: In Europa wurden 2012 nur 35 Prozent des Elektroschrotts über offizielle Sammelstellen und Recyclingsysteme entsorgt – rund 3,3 Millionen Tonnen. Der Rest – rund 6,2 Millionen Tonnen, wurde entweder exportiert, landete im normalen Hausmüll oder verschwand anderweitig. Dies sei selbst in den wenigen EU-Ländern der Fall, in denen es effektive Standards und Berichtssysteme gebe, berichten die Forscher.

„Zehn Meter hohe Mauer“

Allein 4,7 Millionen Tonnen des Elektroschrotts wurden dabei innerhalb Europas illegal gehandelt oder unrechtmäßig verarbeitet, wie die Forscher berichten. „Die Masse des in Europa unsachgemäß behandelten Elektroschrotts entspräche aufgestapelt einer zehn Meter hohen Mauer, die von Oslo bis an die Südspitze Italiens reicht“, sagt Pascal Leroy, Generalsekretär des WEEE-Forums.

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Das aber sei fatal, denn damit gehen auch die wertvollen Metalle und Komponenten dieses Schrotts für die Wiedergewinnung verloren. Gerade Elektronik enthält viele knappe Rohstoffe, darunter Kupfer, Gold und Seltenerd-Metalle wie Neodym oder Lanthan. 2012 stellten Forscher fest, dass im Elektroschrott sogar mehr Gold und Silber enthalten ist als in vielen Erzlagerstätten. „Wertvolle Metalle und Komponenten müssen daher sicher gesammelt und in größtmöglichen Maße recycelt werden“, so Leroy.

Der Verlust durch unsachgemäße Entsorgung und illegale Machenschaften liegt bei bis zu 1,7 Milliarden Euro allein in der EU. © RECILEC, S.A.

Begehrtes Diebesgut

Das allerdings ist nicht so einfach, denn die wertvollen Komponenten des Elektroschrotts sind auch bei Dieben sehr begehrt: Die Forscher schätzen, dass den europäischen Entsorgungssystemen durch den weitverbreiteten Diebstahl von Elektronikkomponenten jährlich zwischen 800 Millionen und 1,4 Milliarden Euro verloren gehen. „Der Ausweiden von Elektroschrott ist eine profitable Aktivität mit geringem Risiko des Geschnapptwerdens“, erklärt David Higgins von Interpol.

Die Täter gehören dabei seltener zum organisierten Verbrechen als angenommen. Stattdessen handelt es sich meist um lose Netzwerke einzelner Händler und Unternehmen, wie die Auswertung von Interpol-Daten ergab. „Hier muss die Strafverfolgung proaktiver werden, zudem sollte es verstärkte Verfolgung und strengere Strafen geben“, so Higgins. Wie der Bericht zeigt, hat ein Drittel der EU-Mitglieder die Regelungen der WEEE-Richtlinien bisher nicht übernommen. Die typischen Strafen seien zudem viel zu niedrig, um abschreckend zu wirken.

Bedrohung für die Umwelt

Ein weiteres Problem sind die Umweltschäden durch die unsachgemäße Entsorgung des Elektroschrotts. Denn die Geräte und Elektronikbauteile enthalten giftige Komponenten wie Blei, Quecksilber, Kadmium, Chrom und auch ozonzerstörende Substanzen. Wird Elektroschrott einfach deponiert oder verbrannt, gelangen diese Stoffe in Luft, Böden oder Gewässer.

Gerade bei illegalen Exporten von Elektroschrott in Entwicklungsländer ist dies oft der Fall: Der Schrott wird dort ausgeweidet und dabei die Plastikteile häufig verbrannt. Forscher ermittelten bereits im Jahr 2010, dass zehn Prozent der Quecksilberbelastung und sogar 40 Prozent aller in der Atmosphäre registrierten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) aus brennenden Abfällen stammen.

Effektivere Zusammenarbeit tut not

Die Wissenschaftler fordern dringend eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb der EU gegen illegalen Handel und unsachgemäße Entsorgung des Elektroschrotts. Sie schlagen vor, zwei neue, EU-weit agierende Taskforces zu bilden. Zum einen System, das den Kampf gegen illegale und kriminelle Machenschaften im Umfeld des Elektroschrotts länderübergreifend koordiniert. Zum anderen eine von Experten geführte Umwelt-Taskforce, die spezifisch gegen unsachgemäße Entsorgung vorgehen soll.

„Die Umweltkriminalität ist eine immer schwerwiegendere Bedrohung für die Welt, in der wir leben, denn sie beeinträchtigt sowohl unsere natürlichen Ressourcen als auch unsere Gesellschaften“, sagt Markus Müller von der Research Executive Agency der EU-Kommission. Sein Kollege Philip Morton vom WEEE-Forum beton aber auch die wichtige Rolle jedes einzelnen EU-Bürgers: „Solange Konsumenten und andere Marktakteure ihre Geräte nicht an den Sammelstellen abgegeben und sie stattdessen in den Müll werfen, gibt es wenig zu entsorgen.“ Hier sei auch die Mithilfe des Einzelnen gefragt.

(United Nations University, 31.08.2015 – NPO)

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