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Nanotechnologie

Erstes Mikroskop mit Quantenspitze

Bose-Einstein-Kondensat statt fester Spitze erhöht Auflösung um den Faktor tausend

Eine ultrakalte Atomwolke (gelb) wird in einer Magnetfalle festgehalten und über eine dreidimensional strukturierte Oberfläche geführt. Im Kontaktmodus lässt sich ein Verlust von Atomen aus der Wolke messen, der abhängig von der Topographie der Oberfläche ist. Im dynamischen Modus verändern sich Frequenz und Amplitude einer Schwingung des Massenzentrums der Wolke abhängig von der Oberflächenstruktur. Auf beiden Wegen lässt sich die Topographie der Oberfläche abbilden. © Universität Tübingen, AG Nano-Atomoptik

Wissenschaftler haben ein neuartiges Rastersonden-Mikroskop konstruiert, bei dem nicht eine feste Spitze, sondern eine Wolke ultrakalten Gases die Probe abtastet. Bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt gehen die Rubidium-Atome der „Wolke“ in ein Bose-Einstein-Kondensat über und verhalten sich nun wie ein einziges Atom. Diese jetzt in „Nature Nanotechnology“ vorgestellte Quantenspitze ermöglicht die Abtastung nanostrukturierter Oberflächen um einen Faktor tausend feiner als bisherigen Rastersonden-Mikroskope.

Mikroskope machen Kleines sichtbar – das sagt ihr Name. Doch moderne Mikroskope tun das oft über den Umweg, dass sie Oberflächen nicht mit optischen Methoden darstellen, sondern mit einer feinen Spitze abtasten. Dort, wo optische Abbildungsmethoden an ihre Grenzen kommen, zeigen solche Rastersonden-Mikroskope mit unterschiedlichen Techniken noch Strukturen von Millionstel Millimeter Größe. Mit ihrer Hilfe lassen sich Phänomene der Nanowelt sichtbar machen und sogar gezielt beeinflussen. Das Herzstück eines Rastersonden-Mikroskops ist eine beweglich aufgehängte Spitze, die, vergleichbar mit der Nadel eines Plattenspielers, auf feine Unebenheiten der Proben-oberfläche reagiert und diese in Signale umwandelt, die sich mit Computerhilfe als Bild darstellen lassen.

Bose-Einstein-Kondensat als Spitze

Forschern der Universität Tübingen ist es nun gelungen, dieses Herzstück eines Rastersonden-Mikroskops nicht aus einem festen Material herzustellen, sondern aus einer ultrakalten verdünnten Gaswolke. Dabei kühlen sie ein besonders reines Gas aus Rubidium-Atomen auf Temperaturen unterhalb von einem Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt ab und speichern die Atome in einer Magnetfalle. Unter diesen Bedingungen tritt ein quantenmechanisches Phänomen ein, das aus der Wolke ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat macht. In diesem Aggregatzustand sind die einzelnen Atome nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Sie bilden sozusagen alle gemeinsam ein einziges großes Atom.

Abtasten von Nanoröhrchen

Diese „Quantenspitze“ kann nun präzise positioniert werden und ermöglicht so die Abtastung nanostrukturierter Oberflächen. Die Wissenschaftler haben die Spitze ihres Kaltatom-Rastersonden-Mikroskops an einer Probe mit senkrecht gewachsenen Kohlenstoff-Nanoröhren demonstriert. Von einer Art magnetischem Förderband wurde die Spitze über die Probe geführt. Bei einer ersten Messung im sogenannten Kontaktmodus streiften die Erhebungen auf der Probe einzelne Atome aus der Wolkenspitze, die im Abstand weniger Mikrometer über sie hinweg fuhr. Dieser Verlust diente als Maß für Position und Höhe der Nanoröhrchen und zur Abbildung der Oberflächentopographie.

Auch im sogenannten dynamischen Messmodus funktionierte das Mikroskop. Die Forscher erzeugten dafür erneut Bose-Einstein-Kondensate dicht über der Probe. Brachten sie diese Kondensate senkrecht zur Oberfläche in Schwingungen, so änderten sich die Frequenz und die Schwingungsweite abhängig von der Topographie der Probenoberfläche. Auch auf diesem Weg erhielten sie ein hoch aufgelöstes Bild der Oberfläche. Der Vorteil dieses Messverfahrens liegt darin, dass keine Atome aus der Wolke verloren gehen. Das kann von Vorteil in Fällen sein, in denen solche von der Probe adsorbierte Atome die Messung beeinflussen könnten.

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Als Fazit formulieren die Forscher: „Die extreme Reinheit der Sondenspitze und die Möglichkeit, die atomaren Zustände in einem Bose-Einstein- Kondensat quantenmechanisch zu kontrollieren, eröffnen für die Zukunft neue Möglichkeiten der Rastersonden-Mikroskopie mit nicht-klassischen Sondenspitzen.“ Durch künftige Weiterentwicklungen des Kaltatom-Rastersonden-Mikroskops könne, so die Forscher, die Auflösung von bisher etwa acht Mikrometern um theoretisch den Faktor tausend verbessert werden. Darüber hinaus erhoffen sie sich neue Anwendungen von der jetzt erprobten Möglichkeit, ultrakalte Quantengase und Nanostrukturen miteinander in Verbindung zu bringen. (Nature Nanotechnology, 2011 (AOP); DOI: 10.1038/NNANO.2011.80)

(Universität Tübingen, 31.05.2011 – NPO)

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