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Physik

Erstes Bose-Einstein-Kondensat aus Calciumatomen

Erdalkali-Kondensat ermöglicht exaktere Messungen von Magnetfeldern und Gravitation

Wie eine Riesenwelle inmitten eines Meeres aus gasförmigen Calciumatomen erhebt sich das Bose-Einstein-Kondensat. Es besteht aus rund 20.000 Atomen, die normalerweise für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Doch die Wellen, durch die Atome quantenmechanisch beschrieben werden, schwingen im Kondensat alle synchron und addieren sich zu einer dichten Riesenwelle. Auf diese Weise wird die mikroskopische Anhäufung von Atomen plötzlich makroskopisch und damit sichtbar. © PTB

Physikern ist es weltweit zum ersten Mal gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus dem Erdalkali-Element Calcium herzustellen. Da diese Atome eine Million mal empfindlicher auf die Wellenlänge bei optischen Anregungen reagieren, lässt sich das neue Kondensat nun für super-exakte Messungen, beispielsweise zur Bestimmung von Gravitationsfeldern, verwenden. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ erschienen.

Der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle beschrieb es einmal als „Identitätskrise“ der Atome: Fängt man Atome in einer Falle und kühlt sie auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt, kondensieren sie – ähnlich wie Dampf zu Wasser – und nehmen einen völlig neuen Zustand an: Sie werden ununterscheidbar. Dieser kollektive Zustand heißt nach seinen geistigen Vätern Bose-Einstein-Kondensat. Zu diesem Zeitpunkt nun kommen die Gesetze der Quantenmechanik zum Tragen, die im Alltag nicht zu beobachten sind und so manchen Nicht-Physiker verstören. Die Vorstellung von Atomen als kleine Kugeln funktioniert nun nicht mehr. Vielmehr lassen sich Atome nun nur noch quantenmechanisch durch Wellen beschrieben.

Kondensat: Superkalte Atome als Riesenwelle

Wie Wasserwellen können sie sich gegenseitig überlagern. Bei einem Bose-Einstein-Kondensat sind die Wellenfunktionen von bis zu einer Million Atome so synchronisiert, dass sie sich zu einer Riesenwelle auftürmen. Diese Gebilde können bis zu einem Millimeter groß und dann photographiert werden. Der Mikrokosmos stellt sich makroskopisch dar – er wird für den Betrachter sichtbar. In den letzten Jahren wurden solche Bose-Einstein-Kondensate für vielfältige Untersuchungen zu den Grundlagen der Quantenmechanik, als Modellsystem für Festkörper oder in der Quanteninformation eingesetzt.

Bose-Einstein-Kondensat aus Calciumatomen

Wissenschaftlern der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist es nun weltweit erstmalig gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Erdalkaliatomen herzustellen. Dazu wurden 2x 10 hoch 6 in einer magneto-optischen Falle vorgekühlte Calciumatome mit einer Temperatur von 20 Mikrokelvin in eine optische Pinzette geladen. Durch Abschwächen der Haltekraft verdampfen heiße Atome, wodurch die übrig bleibenden Atome gekühlt werden. Bei einer Temperatur von typischerweise 200 Nanokelvin wird die kritische Temperatur mit 10 hoch 5 Atomen erreicht. Davon können etwa 2×10 hoch 4 Atome zu einem reinen Kondensat gekühlt werden.

Sensiblere Messungen von Gravitation oder Magnetfeldern möglich

Die Wellenmuster angeregter Bose-Einstein-Kondensate reagieren sehr empfindlich auf ihre Umgebung. So lassen sich durch Untersuchung dieser Muster hochempfindliche interferometrische Sensoren erzeugen, mit denen man zum Beispiel Magnetfelder oder Gravitation messen kann. Für die Manipulation und Anregung von Kondensaten wird Licht verwendet. Alle weltweit bisher erzeugten Bose-Einstein-Kondensate haben einen gemeinsamen Nachteil: Ihre breiten optischen Übergänge lassen keine Präzisionsanregungen zu.

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Bei Bose-Einstein-Kondensaten aus Erdalkaliatomen, wie beispielsweise Calcium und Strontium, die beide an der PTB auf ihre Eignung als optische Uhren untersucht werden, bieten deren superschmale optische Übergänge ganz neue Möglichkeiten für Präzisionsuntersuchungen. Denkbar ist deren Einsatz auf Satelliten zum Beispiel durch Geophysiker, die die Verformung der Erde und damit die Veränderung der Gravitation erforschen.

(Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 23.09.2009 – NPO)

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