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Physik

Erster Halbleiter-Kristall in Spiralform

Exotische Kristallform könnte anorganischen Materialien ganz neue Eigenschaften verleihen

Spiralkristall
Für ein anorganisches Material extrem ungewöhnlich ist die Spiralstruktur dieses Germaniumsulfid-Kristalls. © UC Berkeley/ Yin Liu

Vielversprechender Durchbruch: Forschern ist es erstmals gelungen, einen Halbleiter-Kristall in Spiralform zu züchten. Er besteht aus unzähligen gegeneinander verdrehten Einzelschichten – ähnlich einen verdrehten Kartenstapel. Das Spannende daran: Solche winkelig aufeinander liegenden Materialschichten können ganz neue optische, thermische und elektronische Eigenschaften entwickeln, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Viele Feststoffe verdanken ihre besonderen Eigenschaften ihrer Struktur – sie sind Kristalle. Ihr geordnetes Teilchengitter macht einige Kristalle zu Halbleitern, andere brechen das Licht auf spezielle Weise, wirken als „Tarnkappe“ oder werden zu Supraleitern. Nach aktuellen Schätzungen könnte sogar ein Viertel aller Feststoffe ein solches exotisches Verhalten zeigen. Zu ihnen gehört auch das „2D-Material“ Graphen, dessen ultradünne Schichten zum Supraleiter werden, wenn man sie in einem bestimmten Winkel gegeneinander verdreht.

Spiralig statt gerade

Jetzt haben Forscher um Yin Liu von der University of California in Berkeley eine ganz neue Eigenschaft von solchen ultradünnen 2D-Materialien entdeckt. Denn ihnen ist es erstmals gelungen, aus den ultradünnen Schichten solcher Feststoffe einen Kristall in Spiralform zu züchten. Für ihr Experiment züchteten die Forscher zunächst Nanodrähte aus Germaniumsulfid (GeS) durch Aufdampfen auf ein Substrat mithilfe eines Goldkatalysators. Bei weiterem Bedampfen wuchsen diese Nanodrähte zu bis zu zehn Mikrometer dicken und mehrere hundert Mikrometer langen Kristalltürmen heran.

Das Ungewöhnliche jedoch: Diese Kristalltürme waren nicht gerade, sondern spiralig gewunden – für anorganische Materialien ist dies eine eher exotische Konfiguration. „Niemand hätte erwartet, dass 2D-Materialien in dieser Weise wachsen können. Das ist ein echtes Überraschungsgeschenk!“, sagt Lius Kollege Jie Yao. Wie ein verdrehter Kartenstapel ist in dieser Spirale jede Schicht gegenüber der nächsten um einen bestimmten Winkel verschoben.

Winkel entsteht durch Fehlstellen im Kristall

„Dadurch bilden sich Stufen in dem Kristall, die diesen in eine Art Wendeltreppe verwandeln“, sagt Yao. Wie die Forscher bei näherer Analyse feststellten, sind winzige Defekte in der Kristallstruktur die Ursache dieser spiraligen Rotation Wenn diese Fehlstellen im Kristallgitter eine chirale – „händige“ – Symmetrie besitzen, können sie die aufeinanderfolgenden Kristallschichten verdrehen – ein Phänomen, das auch „Eshelby Twist“ genannt wird.

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„Normalerweise sind Fehlstellen in einem Material unerwünscht“, sagt Yao. „Aber in diesem Fall sind wir den Defekten dankbar, denn sie verleihen den Schichten ihre Drehung.“ Die spiralige Struktur des Kristalls entsteht, weil die Defekte die Energieverteilung und das Verhalten der ultradünnen Schichten verändern. Für das Material wird es dadurch energetisch günstiger, die auflagernden Schichten nicht gerade, sondern schräg anzuordnen.

Exotische Eigenschaften

Das Spannende daran: Wie beim Graphen könnte der Winkel zwischen den Nanoschichten auch diesen Spiralkristallen besondere optische, thermische und elektronische Eigenschaften verleihen. „Wir glauben, dass dies der Materialforschung ganz neue Möglichkeiten eröffnen wird“, sagt Yao. „Denn schon jetzt hat eine solche Winkelverschiebung bei nur zwei Schichten großen Potenzial bewiesen.“

Bei ganzen Türmen aus solchen verdrehten Schichten können demnach sogar noch spannendere Verhaltensweise zutage treten. „Bisher haben wir nur ein sehr begrenztes Wissen darüber, wie dieses Verhalten aussehen könnte, weil diese Materialform so neu ist“, sagt Yao.

Bisher haben die Forscher diese Spiralkristalle nur aus Germaniumsulfid und Germaniumselenid (GeSe) hergestellt. Sie vermuten aber, dass solche spiraligen Kristallstrukturen auch aus anderen Materialien mit geschichteter Grundstruktur produzierbar sind. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dieser Mechanismus auf Germaniumsulfid beschränkt ist“, sagt Yaos Kollege Daryl Chrzan. „Ähnliche Strukturen sollten auch mit weiteren 2D-Materialien möglich sein.“ (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1308-y)

Quelle: University of California – Berkeley

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