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Physik

Erde und Sonne gehen auf Distanz

Abstand zwischen den Himmelskörpern vergrößert sich beständig

Die Erde © NASA

Die Distanz zwischen der Erde und der Sonne wird immer größer: Innerhalb eines Jahrhunderts driften die beiden Himmelskörper um rund zehn Meter auseinander. Dies belegen verschiedene neue Studien, deren Eregbnisse gestern auf der 70. Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) in München vorgestellt wurden.

Der Grund für dieses Phänomen, so Claus Lämmerzahl vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation an der Universität Bremen, ist jedoch noch unbekannt.

Das Treffen, das noch bis 24. März 2006 andauert und zu dem rund 700 Fachleute aus dem In- und Ausland erwartet werden, beschäftigt sich jedoch nicht nur mit unserem Sonnensystem, sondern auch mit vielen anderen Fragen wie: Woher kommt in Zukunft der Strom aus der Steckdose? Und was hält unsere Welt im Innersten zusammen?

Neueste Erkenntnisse über das Universum, über Atomkerne und Elementarteilchen setzen jedoch die Schwerpunkte. Darüber hinaus reicht das Angebot von der Gepäckkontrolle mit Hilfe modernster Sicherheitstechnik bis zum Atomprogramm des Iran. Auch Energieforschung, Klimaschutz, moderne Informationssysteme und die Situation der Frauen in der Wissenschaft stehen auf der Tagesordnung. Eine Festsitzung mit dem bayerischen Wissenschaftsminister Thomas Goppel und ein öffentlicher Abendvortrag von Nobelpreisträger Theodor Hänsch runden das Programm ab.

Kerne & Teilchen

Auf der Tagung beispielsweise "Nukleargastronomen" vertreten. Diese Fachleute arbeiten daran, im Labor die "Ursuppe" nachzukochen. Ihre Zutaten kommen allerdings nicht frisch vorm Markt, vielmehr sind es Atomkerne, die in Teilchenbeschleunigern mit kolossaler Wucht aufeinanderprallen. Ein Ziel solcher Crash-Tests ist die Erzeugung des "Quark-Gluon-Plasmas". Dieses tobende Konglomerat aus Teilchen – vielfach heißer als das Innere der Sonne – erfüllte einst das gesamte Weltall, unmittelbar nach seiner Geburt vor rund 14 Milliarden Jahren.

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In München werden hierzu neueste Ergebnisse aus den USA vorgestellt. Außerdem diskutieren die Fachleute über ähnliche Experimente, die hierzulande geplant sind. Im Fokus steht der Beschleunigerkomplex FAIR, der in der Nähe von Darmstadt entstehen soll. Von ihm werden nicht nur Einblicke in die Kinderstube des Universums erwartet. Forscherinnen und Forscher versprechen sich auch neue Erkenntnisse über den Aufbau der Materie, insbesondere über den Klebstoff, der Atomkerne zusammenhält – im Fachjargon heißt er "Starke Wechselwirkung".

Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine fundamentale Naturkraft mit vielen Facetten, die sich alle im Tagungsprogramm widerspiegeln. Einerseits erfasst die Starke Wechselwirkung die Kernbausteine: Protonen und Neutronen; anderseits erstreckt sie sich auf noch kleinere Teilchen – dazu gehören insbesondere die so genannten Quarks.

Mit der Starken Wechselwirkung ebenfalls eng verknüpft ist die Entstehung der chemischen Elemente im Inneren der Sterne. Denn Kohlenstoff, Eisen und Co. sind Nebenprodukte des atomaren Feuers, das Sonnen wie der unseren ihre Strahlkraft verleiht. Anders stellt sich die Situation in Himmelkörpern dar, deren Glut bereits erloschen ist: Die Materie im Herzen bestimmter Sternenleichen – wie "Neutronensternen" und "Quarksternen" – könnte zu einem atomaren Brei verpresst sein, der "Farbsupraleiter" genannt wird und einer frostigen Variante des Quark-Gluon-Plasmas gleichkommt.

Überdies werden in München Experimente mit ausgesuchten Kernteilchen vorgestellt. So lassen sich mit Neutronen Werkstoffe auf Materialfehler prüfen und sogar Motoren im laufenden Betrieb durchleuchten. Das Verfahren ähnelt der Computer-Tomographie per Röntgenblick und kommt auch in Medizin und Archäologie zum Einsatz.

Studienobjekt Neutron

Das Neutron selbst ist ebenfalls ein beliebtes Studienobjekt. Im Februar 2006 meldete ein Forscherteam aus München und Mainz einen Durchbruch bei der Herstellung ultrakalter Neutronen. Diese Teilchen sind so energiearm, dass sie mithilfe von Magnetfeldern gespeichert und in Ruhe beobachtet werden können. Auch der Heidelberger Hartmut Abele (41), der im Rahmen der Tagung den "Gustav-Hertz-Preis der DPG für herausragende junge Physikerinnen und Physiker" erhält, wird über Experimente mit Neutronen berichten.

Abele stellte fest, dass sich diese winzigen Teilchen im Einklang mit der gewohnten Theorie der Schwerkraft bewegen und bestätigte, dass das aus dem Makrokosmos geläufige Gravitationsgesetz von Newton auch im Mikrometerbereich gültig ist. Hinweise für die von der "Stringtheorie" vermuteten "Extradimensionen" fand er auf dieser Entfernungsskala nicht. Fazit: Falls das Universum neben Raum und Zeit tatsächlich weitere Dimensionen aufweisen sollte, so wirken sich diese – zumindest auf der Mikroskala – nicht auf die Schwerkraft aus.

Raumsonden & Quantenschleifen

Abeles Studien sind bemerkenswert, weil die Stringtheorie als Kandidat für eine umfassende Beschreibung aller Naturkräfte ("Weltformel") gehandelt wird. Dabei geht es insbesondere um die Verknüpfung der gängigen Theorie der Schwerkraft mit der Teilchenphysik. In dieser Hinsicht ist die Stringtheorie allerdings nicht das einzige Angebot. Gerade in jüngster Zeit macht eine Alternative von sich reden, die Raum und Zeit in winzige Parzellen unterteilt: die Schleifen-Quantengravitation. Ihr sind in München mehrere Beiträge gewidmet.

Das Tagungsprogramm befasst sich ebenso mit den Eigenheiten der Schwerkraft auf kosmischer Skala. So gibt es Beiträge über Gravitationswellen und Schwarze Löcher, über Pulsare – rotierende Sterne, die ihr Licht wie Leuchtfeuer ins All schicken – und Vorträge über die Gestalt des Universums: nach Ansicht einiger Forscher könnte es wie eine Trompete geformt sein. Ein Beitrag gilt der "Pioneer-Anomalie". Dieses Phänomen wurde nach den beiden Pioneer-Raumsonden getauft, die Anfang der 1970er Jahre die Erde verlassen und inzwischen die Grenze unseres Sonnensystems erreicht haben. Wie sich 1998 herausstellte, werden die Sonden von einer unbekannten Kraft abgebremst. Ob Messfehler, "neue Physik" oder aber der Einfluss von Dunkler Energie und Dunkler Materie – noch ist unklar, was der Grund für die Pioneer-Anomalie sein könnte.

(idw – Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), 21.03.2006 – DLO)

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