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Physik

Elektronen per Laser kalt beschleunigt

Laserbeschleuniger erzeugt erstmals Pulse von Elektronen, die alle die gleiche Energie haben

Ein Laserpuls (rot) trifft auf Heliumatome (blau), die aus einer Düse mit Überschallgeschwindigkeit entlassen werden. Ein sehr kompakter und kontrollierter Dichteunterschied (dunkelblauer Strahl) entsteht durch eine teilweise Abdeckung der Düse durch eine Rasierklinge. Exakt an diesem Dichteunterschied trifft der Laserpuls auf die Heliumatome, löst dort Elektronen heraus und beschleunigt sie fast bis aus Lichtgeschwindigkeit. Da die Elektronen alle am selben Ort und zudem zeitgleich von den Atomen gelöst werden, haben sie nahezu dieselbe Energie. © Thorsten Naeser

Elektronen nahe der Lichtgeschwindigkeit sind schwer zu bändigen. Will man sie für Anwendungen der Ultrakurzzeitphysik nutzbar machen, muss man eine große Anzahl von ihnen in extrem kurze Pulse mit gleicher, einstellbarer Energie packen. Dies ist nun einem Physikerteam mittels eines lasergetriebenen Beschleunigers erstmals gelungen. Solche monoenergetischen Elektronenpakete können künftig dazu dienen, ultrakurze Lichtblitze im extremem Ultraviolett- oder sogar Röntgenbereich für medizinische oder biotechnische Anwendungen zu erzeugen, wie die Forscher im Fachmagazin „Physical Review Letters“ berichten.

Pulse aus Elektronen, die fast mit Lichtgeschwindigkeit fliegen und dabei auch noch vom Menschen kontrolliert werden, besitzen ein großes Potential für Anwendungen in der Medizin und der Erforschung des Mikrokosmos. Zu ihrer Erzeugung werden heute jedoch zumeist Hochfrequenz-Beschleunigeranlagen verwendet, die einerseits sehr groß und kostspielig sind, andererseits kurze Teilchenpulse nur mit sehr aufwendigen Tricks und unter großen Teilchenverlusten erzeugen können. Wenn man Teilchenschwärme mit einem Laser auf Lichtgeschwindigkeit brächte, ließen sich diese Probleme teilweise vermeiden. Das Hauptproblem solcher Laserbeschleuniger ist es bisher aber, allen Teilchen eine einheitliche Energie mit auf die Reise zu geben und somit „kalte“ Pulse zu erzeugen.

Ein konventioneller Hochfrequenz-Beschleuniger enthält immer eine Teilchenquelle, die die Teilchenzahl, Pulsdauer und Energieschärfe der Pakete bestimmt. Dazu verfügt er über eine feste Beschleunigungsstrecke, die die Energie der Teilchen vorgibt. In einem Laserbeschleuniger jedoch fehlt die Teilchenquelle. Die beschleunigten Teilchen werden zufällig über die gesamte Länge des Beschleunigers eingefangen. Dadurch wird ihre Energieverteilung relativ breit.

Schockwelle aus Heliumatomen

Einem Team um Laszlo Veisz und Stefan Karsch im Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) ist es nun gelungen, eine kontrollierbare Teilchenquelle in einen Laserbeschleuniger zu integrieren und damit Pulse aus Elektronen zu erzeugen, deren einzelne Teilchen nahezu dieselbe Energie besitzen. Aus einer kleinen Düse schossen die Physiker dazu Heliumatome mit Überschallgeschwindigkeit heraus. Kurz über der Öffnung der Düse positionierten sie eine Rasierklinge so, dass sie einen Teil der Öffnung abschirmte. Wurden nun die Heliumatome aus der Düse entlassen, formten sie ausgehend von der Rasierklingenkante eine Schockwelle und damit einen Dichtesprung im Gasfluss. Exakt an diese Stelle fokussierten die Wissenschaftler extrem starke Laserpulse von rund 28 Femtosekunden Dauer.

Trifft der Laserpuls auf die Heliumatome, trennt er Elektronen von ihren Kernen ab, es entsteht ein Plasma. Durch die Energie des Lasers werden dann die Elektronen innerhalb weniger 100 Mikrometer bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und erhalten dabei fast alle dieselbe Energie mit auf den Weg.

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Rasierklinge als entscheidendes Bauteil

Entscheidend für die Ausformung dieses monochromatischen Elektronenpulses ist dabei, dass alle Elektronen ihre Reise genau an der Schockfront starten, wie die Forscher erklären. Denn so legen sie bis zum Ende des Gasstahls die gleiche Beschleunigungsstrecke zurück und erhalten auch die dieselbe Energie. Ohne die Schockfront würden unterschiedliche Elektronen an beliebiger Stelle im Beschleuniger starten und damit unterschiedliche Energien mitnehmen.

„Durch die Position der Rasierklinge über der Düse können wir genau bestimmen wo sich der Dichteunterschied der Heliumatome ausbildet und damit beeinflussen, wie lang die Beschleunigungstrecke ist und welche Energie wir den herausgelösten Elektronen mitgeben“, erklärt Veisz.

Perfekt kontrollierte, ultrakurze Elektronenpulse könnten künftig genutzt werden, um wiederum Lichtblitze mit wenigen Femtosekunden Dauer bis in den Röntgenbereich zu erzeugen. Mit ihnen ist man dann beispielsweise in der Lage, schnelle Prozesse im Mikrokosmos zu „fotografieren“. Ebenso bieten sich medizinische Anwendungen an: Kompakte und preiswerte, gut kontrollierbare Laser-Teilchenbeschleuniger mit hoher Strahlqualität könnten in Zukunft dafür sorgen, dass neue Röntgentechniken mit erheblich verminderter Strahlenbelastung für viele Patienten zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung stehen.

(Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 04.06.2013 – NPO)

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