Wer eislaufen kann, lernt auch schneller Rollschuhfahren – obwohl die Rückmeldung von den Muskeln und die genaue Bewegungssteuerung durchaus eine andere ist. Wie generalisieren wir Bewegungsabläufe, wie übertragen wir die Fähigkeit Fahrrad zu fahren von einem Rad auf das andere? Dies haben nun Wissenschaftler untersucht. Wie sie in der Fachzeitschrift „Current Biology“ zeigen konnten, lernen wir „strukturiert“ – das heißt: wir lernen, welche Bewegungsaspekte in welcher Weise zusammenhängen.
Bei einer komplexen Bewegung, wie zum Beispiel auch das Fahrradfahren, müssen wir viele Parameter kontrollieren – zum Beispiel die Position der Arme und Beine und die Spannung der Rumpfmuskulatur. Lernen wir eine ähnliche Bewegung, so sind auch diese Parameter ähnlich. Aber reicht das schon aus, um zu erklären, wie wir Bewegungsabläufe generalisieren?
Welche Kontrollparameter zeichnen eine Bewegungsklasse aus?
Nach der neuen Studie der Forscher um Carsten Mehring vom Bernstein für Zentrum Computational Neuroscience und der Universität Freiburg steckt noch mehr dahinter. Wir lernen, welche Kontrollparameter eine bestimmte Bewegungsklasse auszeichnen und wie sie zusammenhängen. Treten wir beim Radfahren beispielsweise mit dem linken Fuß nach unten, so bewegen wir den rechten nach oben.
Und nicht nur das: „Es gibt mehr als 600 Muskeln im menschlichen Körper, die in koordinierter Art und Weise mehr oder weniger angespannt werden müssen und viele sensorische, visuelle und haptische Rückmeldungen, die für eine Klasse von Bewegungsaufgaben – wie beispielsweise Fahrradfahren – in einem bestimmten Zusammenhang stehen“, sagt Mehring. „Wenn wir von einem Fahrrad auf ein anderes umlernen, verändern wir nur die Bewegungsaspekte, auf die es bei dieser Bewegungsklasse ankommt und testen nur Parameterkombinationen, die bei dieser Bewegungsklasse Sinn machen“.
In verschiedenen Experimenten haben Mehring und seine Kollegen die Hypothese, dass ein solches Bewegungsprinzip erlernt werden kann, überprüft. In einem Experiment sollten Probanden beispielsweise mit einem Cursor auf einem Computerbildschirm einen bestimmten Punkt ansteuern. In dem Experiment lag dabei zwischen der Handbewegung und der Cursorbewegung auf dem Bildschirm eine Rotation – bewegten die Probanden die Maus nach rechts, bewegte sich der Cursor beispielsweise schräg nach unten und die Probanden mussten ihre Bewegung entsprechend anpassen. Von Versuchsdurchlauf zu Versuchsdurchlauf änderte sich der Rotationswinkel, so dass kein bestimmter Rotationswinkel gelernt werden konnte.
Strukturiertes Lernen
Dennoch hatten die Probanden nach den Ergebnissen der Forscher nach einigen Versuchsdurchläufen etwas dazugelernt. Bekamen sie nun die gleiche Rotationsaufgabe mehrmals hintereinander, waren sie sehr viel schneller in der Lage, gerade und rasche Bewegungen durchzuführen, als Probanden ohne Vorerfahrung.
„Sie hatten das Prinzip gelernt, dass zwischen ihrer eigenen Bewegung und dem Ergebnis eine Rotation liegt – und nicht etwa eine Skalierung oder eine Spiegelung“, sagt Mehring. Sie mussten daher nur noch wenige Parameterkombinationen durchspielen, um den richtigen Bewegungsablauf hinzubekommen. „Strukturiertes Lernen“ nennen die Wissenschaftler das im Fachjargon. Die Generalisierung von Bewegungsabläufen, so konnten die Forscher um Mehring zeigen, beruht auf strukturiertem Lernen.
(idw – Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, 19.03.2009 – DLO)