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Physik

Eiskalte Atomwolken durch „Entmagnetisierung“

Entmagnetisierungskühlverfahren erstmals auf Gase angewendet

Demagnetisierung eines Gases als Kühlmethode: Ein spinpolarisiertes und „bewegungswarmes“ Gas (rot) wird auf Kosten der Spinpolarisierung gekühlt. © Universität Stuttgart

Wie kann ich ein Gas bis nahe dem absoluten Nullpunkt abkühlen, ohne dass dabei so viele Atome abhanden kommen, dass am Ende kaum mehr etwas vom Gas übrig ist? Genau dies ist bei der bisherigen Verdunstungskühlung der Fall. Doch jetzt haben Physiker erstmals Magneteigenschaften eines Gases zur Kühlung eingesetzt – mit Erfolg.

Kühlt man Materie nahe an den absoluten Nullpunkt, so tritt deren Quantennatur zu Tage. Manche Atome, so genannte Bosonen, gehen dann in einen neuen Aggregatzustand über, sie formen ein Bose-Einstein- Kondensat. Experimente mit solchen Bose-Einstein-Kondensaten gewähren einen Einblick in die Quantenwelt und sind daher ideale Forschungsobjekte für die Grundlagenforschung. Um zu solchen ultrakalten Temperaturen zu gelangen, waren Physiker bisher auf die verlustreiche Verdampfungskühlung angewiesen: Wie bei erkaltendem Kaffee verlassen dabei die heißesten Atome die Wolke, wodurch der Rest zwar kälter, aber auch weniger wird.

Am Physikalischen Institut der Universität Stuttgart wurde nun ein bereits in den 50er-Jahren vorgeschlagenes Kühlschema erstmals experimentell realisiert, bei dem es zu keinem Atomverlust kommt und das somit wesentlich effizienter arbeitet.

Temperatur gleich Bewegung

Temperatur ist ein Maß für Bewegungsenergie. Heiß bedeutet eine Zitterbewegung mit großer Amplitude, kalt eine mit kleiner. Hat ein System zwei unabhängige Bewegungsarten, so kann die Temperatur für beide Arten unterschiedlich sein. Ein Beispiel hierfür ist die Bewegung kleiner Magnete in einem Magnetfeld, wie sie beispielsweise von Kompassnadeln bekannt sind. Jeder Magnet kann sich einerseits mit seinem Schwerpunkt im Raum bewegen. Andererseits kann die Orientierung der Magnete relativ zur Richtung des Magnetfelds zittern. Beide Freiheitsgrade können eine unterschiedliche Temperatur haben. So können die Magnete zum Beispiel alle parallel ausgerichtet, also in ihrer Orientierung sehr kalt sein und sich trotzdem sehr schnell bewegen und deshalb in ihrer Schwerpunktbewegung heiß sein.

Wenn die Magnete aneinander stoßen, kommen die Temperatur der Bewegung mit der Temperatur der Orientierung ins Gleichgewicht. Im Beispiel wird sich die Temperatur der Orientierung erhöhen und die Temperatur der Bewegung reduzieren, bis beide dieselbe Temperatur haben. Kühlt man also die eine Form der thermischen Energie, hier das Orientierungszittern, kann damit auch die andere Form der Energie kühlen.

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“Optisches Pumpen“ als Trick

Feste Stoffe werden seit über 70 Jahren nach diesem Prinzip gekühlt.

Für Gase konnte diese Technik jedoch nicht angewandt werden, da viele Atome nicht magnetisch genug sind. In diesem Jahr gelang es der Gruppe um Professor Tilman Pfau am Physikalischen Institut erstmals, dieses Entmagnetisierungskühlverfahren auf atomare Gase anzuwenden. Im Experiment konnten eine Million Chromatome auf eine Temperatur von zehn Mikrokelvin (das sind zehn Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt) abgekühlt werden. Möglich wurde dies, weil die Physiker mit Chromgas arbeiten, einer besonders magnetischen Atomsorte. Im Jahr 2005 gelang den Stuttgarter Wissenschaftler erstmals die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Chrom-Atomen.

Der entscheidende Trick bei diesem Kühlverfahren ist, dass sich die Temperatur der atomaren Magnete durch "optisches Pumpen" mit Laserlicht immer wieder "künstlich" abkühlen lässt. Der Pionier des "optischen Pumpens" – der französische Nobelpreisträger Alfred Kastler – hat darin schon 1950 das Potential zur Kühlung anderer Bewegungsarten erkannt. Nach über 55 Jahren ist seine Idee nun umgesetzt worden.

(Universität Stuttgart, 01.12.2006 – NPO)

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