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Chemie

Eisen-Drilling spaltet Stickstoff

Molekül mit drei zentralen Eisenatomen erzeugt unter milden Bedingungen Ammoniak

Stickstoffmolekül © gemeinfrei

Stickstoff aus der Luft lässt sich jetzt auf sanfte Weise in eine chemisch nutzbare Form verwandeln. Eine neuartige Verbindung mit drei Eisen-Atomen im aktiven Zentrum kann das sehr stabile Stickstoffmolekül aufbrechen und in einer Reaktion mit Wasserstoff Ammoniak erzeugen. Amerikanische Wissenschaftler haben die Substanz synthetisiert, die Max-Planck-Forscher anschließend analysierten.

Stickstoff mit molekularen Katalysatoren in Ammoniak umzuwandeln, hilft bei der Suche nach Alternativen zum Haber-Bosch-Verfahren, schreiben die Chemiker im Wissenschaftsmagazin „Science“. Mit diesem werden industriell etwa die Ausgangsstoffe von Stickstoffdünger produziert; anders als der molekulare Katalysator mit dem Eisenzentrum arbeitet es jedoch mit hohem Druck und hoher Temperatur.

Grundbaustein für die Ernährung der Pflanzen

Die Spaltung von molekularem Stickstoff zum Beispiel durch Bakterien ist eine der fundamentalen chemischen Reaktionen, die Leben auf der Erde erst möglich machen: Die sogenannte Stickstofffixierung liefert einen der Grundbausteine für die Ernährung der Pflanzen, die wiederum Nahrungsgrundlage allen höheren Lebens sind. Und ohne das Haber-Bosch-Verfahren hätte die Bevölkerung der Erde nicht von knapp 1,6 Milliarden Menschen vor hundert Jahren auf die derzeit auf der Erde lebenden sieben Milliarden Menschen wachsen können. Denn erst das technische Verfahren, in dem die extrem stabilen Stickstoff-Moleküle gespalten und Ammoniak synthetisiert wird, ermöglichte die Produktion von Kunstdünger. Auf diese Weise ließen sich die Ernteerträge in den vergangenen 100 Jahren enorm steigern.

Stickstoffmolekül in einem Käfig aus drei Eisenatomen

Wissenschaftlern um Professor Patrick Holland an der Universität Rochester (USA) ist es nun gelungen, eine Verbindung herzustellen, in der ein Stickstoffmolekül in einen Käfig aus drei Eisenatomen gerät – und dabei aufgespalten wird. Sie konnten sogar mit Hilfe von Röntgenbeugungsaufnahmen die Molekülstruktur der höchst empfindlichen Verbindung aufklären und damit die Stickstoff-Spaltung bildhaft beweisen – dabei aber überraschenderweise auch die Anwesenheit von Kalium-Atomen erkennen.

Das komplexe Molekül, das bei nachfolgender Reaktion mit Wasserstoff in der Tat auch Ammoniak erzeugt, stellt offenbar wie auf einer Blitzlichtaufnahme den wichtigsten Schritt der Gesamtreaktion dar, alle Reaktionspartner kommen quasi an einem Ort zusammen – und dabei haben die Forscher sie ertappt.

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Eckhard Bill hat am Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie mit einem Mößbauer-Spektrometer die elektronische Struktur des organischen Eisen-Komplexes untersucht, der Luftstickstoff in Ammoniak umwandelt. Auf diese Weise hat er dazu beigetragen, im Detail zu klären, wie diese chemische Reaktion abläuft. © MPI für Bioanorganische Chemie

Wie erfolgt die Stickstoffspaltung?

Eckhard Bill, Forscher am Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie in Mülheim an der Ruhr hat in der neuen Studie geklärt, welche Rolle die einzelnen Eisen-Ionen bei der Reaktion spielen. Zu diesem Zweck ging er der Frage nach, wo sich die einzelnen Elektronen des Moleküls befinden, die das Wesen der chemischen Bindungen ausmachen. Um sie zu beantworten, hat er die Elektronenstruktur der Verbindung bei sehr tiefen Temperaturen mit den Techniken der Mössbauer-Spektroskopie und magnetischer Messungen mit einem SQUID Detektor (Superconducting QUantum Interference Device) untersucht.

Mit ihrer Hilfe erkannte er die Ladungen der Eisenatome, ermittelte die Verteilung der Valenzelektronen und analysierte mit Hilfe der magnetischen Spins der Eisenatome ihre Wechselwirkung untereinander. Erst so konnten die Forscher nachvollziehen, wie die drei Eisen-Atome, mit tatkräftiger Hilfe eines benachbarten vierten Eisen-Partners, die Stickstoffspaltung bewerkstelligen.

Haber-Bosch-Verfahren weiter entwickeln

Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschaftler dazu beitragen, die Stickstoffspaltung besser zu verstehen. Sie schaffen damit die Basis, Stickstoff mit geringerem Energieaufwand als im Haber-Bosch-Verfahren zu gewinnen. So könnten sie dieses Verfahren weiter entwickeln, sie könnten die Ammoniaksynthese aber auch stärker am Vorbild der natürlicher Systeme ausrichten.

Das Haber-Bosch-Verfahren, mit dem jährlich rund 100 Millionen Tonnen produziert werden, funktioniert nur unter harschen Bedingungen, so die Forscher: Stickstoff wird mit sehr hohem Druck und bei sehr hoher Temperatur an der Oberfläche von speziellen Katalysatoren wie etwa modifizierten Eisenoxid-Flächen gebunden und gespalten. Die freien Atome reagieren mit zugeführtem Wasserstoff zu Ammoniak. Auf der Suche nach einem sanfteren Verfahren müssen Forscher vor allem klären, welche Metalle sich am besten als Katalysatoren eignen, in welchen Schritten der Prozess abläuft, und warum etwa beim Einsatz der preisgünstigen Eisenoxidoberfläche in der technischen Ammoniaksynthese die Zugabe von Kalium-Ionen den Prozess beschleunigt.

Der erste Eisen-Komplex, der Stickstoff spaltet

Diese Fragen können Chemiker und Physiker gezielter beantworten, wenn sie die Bindung und Spaltung von Stickstoff nicht an den schwer charakterisierbaren Oberflächen von Metalloxiden untersuchen, sondern an molekularen Koordinationsverbindungen mit einem oder mehreren zentralen Metallatomen. Dass sich molekularer Stickstoff nun an einem Komplex mit drei zentralen Eisenatomen in Ammoniak verwandeln lässt, war nicht unbedingt zu erwarten, meinen die Wissenschaftler. Bislang verlief die Suche nach dafür geeigneten Eisenverbindungen nämlich nicht gerade erfolgreich: An einem Eisen-Atom wird Stickstoff nicht gespalten, und in Komplexen mit einem Stickstoffmolekül als Brücke zwischen zwei Eisen-Atomen wird die enorm starke Dreifachbindung des Moleküls zwar gelockert, aber nicht aufgebrochen.

Dass die Ammoniaksynthese nun mit einem organischen Eisenkomplex gelungen ist, weist den Chemikern zufolge einen Weg, um bei der bei der Produktion dieses wichtigen chemischen Ausgangsstoffes Energie zu sparen. Das könnte in Zukunft ebenso wichtig sein wie es vor rund 100 Jahren die Möglichkeit war, mit Kunstdünger die Nahrungsmittelproduktion zu steigern. (Science, 2011; DOI 10.1126/science.1211906)

(MPG, 14.11.2011 – DLO)

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