Selbstorganisationsprozesse chemischer Bausteine sind für die Materialforschung höchst interessant – beispielsweise um hochgeordnete Nanokomposite oder hochporöse Materialien mit besonderen Eigenschaften herzustellen. In der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ stellen französische Forscher jetzt einen neuartigen, sehr vielseitigen Ansatz vor, mit dem die Synthese einer neuen Familie bioorganisch-anorganischer Nanoverbundmaterialien im großen Maßstab gelingt – mit bisher unerreichter Kontrolle über die Beschaffenheit und Struktur der Produkte.
Nanoverbundmaterialien oder Nanokomposite sind Feststoffe aus verschiedenen Materialien, bei denen einer der Stoffe als Nanopartikel vorliegt. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich deutlich von denen der reinen Komponenten. Nanokomposite können auch als „Gussformen“ zur Herstellung poröser Stoffe dienen. Diese sind beispielsweise als Gasspeicher, Katalysatoren und zur Stofftrennung interessant.
Synthese mithilfe des Sol-Gel-Verfahrens
Die Forscher um Bruno Alonso und Emmanuel Belamie vom Institut Charles Gerhardt aus Montpellier wählten das Sol-Gel-Verfahren für ihre Synthese, eine gängige Herstellungsmethode für anorganische Netzstrukturen. Im ersten Schritt mussten sie ein Sol erzeugen, eine Suspension aus feinst verteilten nanoskopischen Teilchen in einem Lösungsmittel.
Die Herausforderung war, eine gemeinsame Suspension aus zwei verschiedene Komponenten zu generieren: eine Siliziumdioxid-Vorstufe (Siloxan-Oligomere) und Chitin-Nanostäbchen aus einer nachwachsende Ressource: den Schalen von Shrimps. Beide Komponenten benötigen aber unterschiedliche Bedingungen, um stabil suspendiert zu bleiben und nicht unkontrolliert auszuflocken.
Wackelpudding-artige Substanzen
Die Forscher stellten daher eine alkoholische Suspension her, indem sie Wasser allmählich durch Ethanol ersetzten. Durch langsames Entfernen des Lösungsmittels entsteht ein Gel. Dabei handelt es sich um Wackelpudding-artige Substanzen. Sie enthalten feste, aber lockere, quervernetzte dreidimensionale Polymerstrukturen.
Das Sol kann in eine gewünschte Form „gegossen“ und getrocknet oder zu rundlichen Partikeln sprühgetrocknet werden. So entsteht ein Nanokomposit aus vollständig in eine Siliciumdioxid-Matrix eingebundenen Chitin-Stäbchen. Der Mechanismus basiert auf einer selbstorganisierten Zusammenlagerung des Chitins sowie schwachen Anziehungkräften zwischen Chitin und Siloxan-Oligomeren.
Maßgeschneiderte Materialien
Die Stabilität der alkoholischen Suspensionen eröffnet den Chemikern zufolge beachtliche Möglichkeiten, Materialien mit einstellbaren Volumenverhältnissen, räumlichen Anordnungen und Morphologien herzustellen. Wird während der Präparation ein Magnetfeld angelegt, erhält man parallel zueinander ausgerichtete Chitin-Stäbchen.
Wird das Nanokomposit erhitzt, verbrennen nach Angaben der Forscher die Chitin-Stäbchen und hinterlassen Hohlräume. So entsteht ein hochporöses Material mit interessanten Eigenschaften.
(idw – Gesellschaft Deutscher Chemiker, 28.10.2010 – DLO)