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Materialforschung

Eine „Glasfaser“ aus Cellulose

Transparenter Lichtleiter aus Pflanzenmaterial eignet sich als optischer Sensor

Lichtleiter
Cellulose statt Glas oder Plastik: Dieser Lichtleiter besteht aus transparenter Cellulose. © VTT

Pflanzenmaterial leitet Licht: Forscher haben eine Art Glasfaser aus Cellulose konstruiert – einen transparenten Lichtleiter für optische Signale. Er besteht aus einem transparenten Kern aus modifizierten Cellulosefasern, die von einer Hülle aus Celluloseacetat umgeben sind. Im Gegensatz zu einer Glasfaser kann dieser biologisch abbaubare Lichtleiter auf Umweltreize wie Feuchtigkeit reagieren, weshalb er sich als bioverträglicher optischer Sensor eignet, wie die Forscher erklären.

Die meisten Daten werden heute in Form optischer Signale übertragen. In der Telekommunikation verwendet man dafür meist Glasfaserkabel, als optische Sensoren werden meist spezielle Kunststoffe als Lichtleiter eingesetzt. Gemeinsam ist ihnen der Aufbau aus einem hoch lichtbrechenden Kern und einer Hülle mit geringerem Brechungsindex. Dadurch wird das Lichtsignal an der Grenzschicht immer wieder reflektiert und so weitergeleitet.

Celulloseleiter 2
Sowohl der Kern als auch die Hülle des bioabbaubaren Lichtleiters bestehen aus Cellulosevarianten. © scinexx

Pflanzenmaterial statt Glas oder Plastik

Die klassischen Lichtleiter haben jedoch bei bestimmten Anwendungen auch Nachteile: Damit sie beispielsweise als optische Sensoren für Umweltreize wie Feuchtigkeit fungieren können, muss man sie erst mit entsprechend sensiblen Materialien koppeln. Zudem sind Plastiksensoren nicht sonderlich umweltverträglich, weil sie aus erdölbasierten Rohstoffen produziert werden, wie Hannes Orelma vom Technischen Forschungszentrum Finnland (VTT) und seine Kollegen erklären.

Deshalb haben die Forscher nach einer Möglichkeit gesucht, Lichtleiter für optische Sensoren aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Fündig wurden sie bei der Cellulose, den kettenförmigen Molekülen, die im Holz und anderen Pflanzengeweben für Stabilität sorgen. „Bisher wurde Cellulose nicht als optische Faser in Betracht gezogen, weil sie als zu unreines optisches Material galt“, erklären Orelma und sein Team. Doch dies sei ein Irrtum. Sie haben einen Lichtleiter aus Cellulosematerial entwickelt, der Licht gut genug leitet, um sich als optischer Sensor zu eignen.

Besonders gut bei infraroten Lichtsignalen

Der hochbrechende, 210 Mikrometer dünne Kern des neuen Lichtleiters besteht aus transparenter Hydratcellulose, einer kristallinen Celluloseform, bei der die Verknüpfung der Molekülketten durch spezielle Lösungsverfahren verändert ist – wie bei Cellophan. Die Hülle des Cellulose-Leiters besteht aus Celluloseacetat, einer Verbindung mit geringerem Brechungsindex als die Hydratcellulose. „Für das bloße Auge erscheinen beide Materialen jedoch transparent“, erklären die Forscher.

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Wie gut diese „Glasfaser“ aus Cellulose das Licht leitet, testeten die Forscher in verschiedenen Wellenlängen vom UV bis in den Infrarotbereich. Das Ergebnis: Ultraviolettes Licht wird relativ schnell gestreut und absorbiert, aber für Signale im infraroten Bereich ist der Celluloseleiter gut geeignet. „Die Messungen zeigen ein Maximum im Bereich von 1.300 Nanometern und damit in einem der Bereiche, die von klassischen Telekommunikationssignalen genutzt werden“, berichten Orelma und seine Kollegen. Dadurch ist der Leiter mit gängigen Lichtquellen und Detektoren kompatibel.

Einsatz als Feuchtigkeitssensor

Allerdings: Für die Übermittlung optischer Signale über lange Strecken reicht die Celluloseleitung nicht einmal ansatzweise an klassische Glasfasern heran, wie auch die Forscher einräumen. Die Abschwächung des Signals durch Lichtstreuung ist zu groß. Dafür aber hat der Cellulose-Leiter einen entscheidenden Vorteil: Er kann besonders gut als optischer Sensor eingesetzt werden. Denn im Gegensatz zu Glas reagiert die Cellulose von Natur aus auf die Präsenz von Chemikalien oder Wasser in ihrer Umgebung.

In einem ersten Test setzten die Forscher ihren Cellulose-Lichtleiter als Feuchtigkeitssensor ein. Dafür benässten sie ein mehrere Zentimeter langes Stück des Leiters mit Wasser und untersuchten, wie sich seine optischen Übertragungseigenschaften dadurch veränderten. „Wir konnten beobachten, dass sich die Intensität des Lichtsignals um mehrere Größenordnungen abschwächte, wenn der Lichtleiter nass war“, berichten Orelma und seine Kollegen. Als die Cellulose-„Glasfaser“ wieder trocknete, kehrten auch die Übertragungswerte zum alten Niveau zurück.

Weitere Anwendungen denkbar

Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass Lichtleiter aus Cellulose nicht nur machbar sind, sondern auch praktischen Nutzen hätten. „Der optische Celluloseleiter könnte vor allem als Sensor genutzt werden, weil er sehr temperaturstabil und darüber hinaus leicht modifizierbar ist“, so Orelma und sein Team. Denkbar wäre beispielsweise der Einsatz als biologisch abbaubarer Umweltsensor, der auf Feuchtigkeit oder auch spezielle Chemikalien reagiert.

„Aber noch stehen wir mit der Forschung und Entwicklung ganz am Anfang, so dass wir noch nicht alle möglichen Anwendungen dieser neuen optischen Leiter abschätzen können“, sagt Orelma. (Cellulose, 2019; doi: 10.1007/s10570-019-02882-3)

Quelle: VTT Technical Research Centre of Finland

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