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Energie

Eine Formel gegen den Stromausfall

Suche nach Schwachpunkten im Stromnetz geht künftig schneller und einfacher

Eine Formel könnte helfen, das Stromnetz vor Ausfällen zu schützen. © Nathan Sudds/ freeimages

Mathe spürt Risiko-Punkte auf: Forscher haben eine Formel entwickelt, die die Vorhersage von Stromausfällen verbessern kann. Denn sie liefert im Handumdrehen verlässliche Werte darüber, ob eine bestimmte Stromleitung kritisch ist oder nicht. Dadurch können solche Schwachstellen im Stromnetz schneller und einfacher aufgespürt werden als bisher. Die Formel hilft damit, künftige Blackouts zu vermeiden.

Blackout. Was in Entwicklungsländern und selbst in den USA häufiger vorkommt, ist bei uns in Europa eine echte Seltenheit. Eine der raren Ausnahmen war der große Stromausfall im November 2006, als eine gekappte Leitung zu einer europaweiten Kettenreaktion im Stromnetz führte. Experten gehen aber davon aus, dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien die Belastungen in unserem Stromnetz weiter zunehmen könnten – und damit auch die Stromausfälle.

Einer der Gründe für eine höhere Anfälligkeit ist die stärker schwankende Stromerzeugung durch Photovoltaik oder Windenergieanlagen, weshalb man beispielsweise bei der letzten Sonnenfinsternis Vorbeugungsmaßnahmen getroffen hat. Ein weiteres Problem könnte der Transport großer Strommengen beispielsweise von den Windparks im Meer sein.

Wo liegen die Schwachstellen?

Für die Energieversorger wird es daher immer wichtiger, Schwachstellen im Stromnetz aufzuspüren. Sie setzen dafür aufwendige Simulationen ein, mit denen sie durchspielen, wie das Stromnetz reagiert, wenn eine einzelne Leitung ausfällt. Viele Tausend Simulationen sind für einen solchen Check des Stromnetzes nötig.

Karte des Höchstspannungsnetzes in Deutschland mit Leitungen über 220 kV und Kraftwerken über 1000 MW Leistung. (Stand 2012) © Alexrk2/ CC-by-sa 3.0

Bislang gilt dabei die Faustregel, dass ein Abschnitt im Netz vor allem dann kritisch sein kann, wenn dort im Verhältnis zur geringen Größe der Leitung viel Strom fließt. Zudem nimmt man an, dass eine Stromleitung umso wichtiger und unersetzlicher ist, je mehr Strom sie transportiert. An diesen Stellen ist die Wahrscheinlichkeit besonders groß, dass sich beim Leitungsausfall ein Blackout ereignet.

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Schnelle Formel statt aufwändiger Simulation

Aber wie Marc Timme vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und seine Kollegen herausgefunden haben, kann diese einfache Regel in entscheidenden Situationen falsch sein. Mehr noch: Den Wissenschaftlern ist es gelungen, eine einfache Formel abzuleiten, mit der man im Handumdrehen abschätzen kann, ob eine Leitung tatsächlich unersetzlich ist oder nicht – ganz ohne aufwändige und zeitraubende Simulation.

„Anhand der Verschaltungsstruktur des Stromnetzes und der aktuellen Auslastung der Leitungen können wir jetzt schon vor einem Ausfall berechnen, welche Leitungen am kritischsten sind“, sagt Timme. Demnach wird der Ausfall einer Leitung erst dann zum Problem, wenn der Strom keine Alternativroute findet, über die er zum Verbraucher fließen kann. Die lokale Situation hängt damit von der Gesamtstruktur des Netzes ab.

Auf die Netzumgebung kommt es an

In ihren mathematischen Berechnungen berücksichtigen die Forscher diese Netzstruktur explizit. So geht in die Formel zunächst das Wissen über das ursprüngliche Stromnetz vor dem Schadensfall ein. Dann fügen sie eine Störung in einem bestimmten Abschnitt des Netzes hinzu. Als Ergebnis erhalten die Forscher dann eine Zahl, die sagt, wie gut das restliche Netz den Ausfall kompensieren kann. Ist diese Zahl zu klein, ist ein Blackout wahrscheinlich. In Windeseile lassen sich so für x-beliebige Streckenabschnitte die Kritikalitäten errechnen, ohne Tausende von Schadensfällen in der Simulation durchspielen zu müssen.

„Alles in allem können wir jetzt deutlich besser vorhersagen, ob ein Netzabschnitt kritisch ist oder nicht“, sagt Koautor Martin Rohden vom Max-Planck-Institut. Die neue Formel wird zwar die detaillierteren Simulationen nicht überflüssig machen, sie zeigt aber dafür schnell, wo die Ursachen der Probleme liegen und wie sie behoben werden können. Mit einem Blick erkennt man mögliche Bedrohungen.

Damit liefert die Formel auch einen neuen Ansatz, um die Stromnetze der Zukunft zu optimieren. Letztlich kann so die Robustheit des gesamten Netzes gesteigert werden, um einzelne Fehler zu kompensieren. Mehr noch: „Mit unserer Formel können wir eine Rangliste erstellen, nach der detaillierte Simulationen durchgespielt werden“, sagt Timme. Für die Netzbetreiber und Energieversorger dürfte das eine enorme Arbeitserleichterung sein. (Physical Review Letters, 2016; doi: 10.1103/PhysRevLett.116.138701)

(Max-Planck-Gesellschaft, 08.04.2016 – NPO)

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