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Technik

Ein präzises Navigationssystem ohne GPS

Ortungssystem auf Basis von Mobilfunk und Glasfaser ist unabhängig von störanfälligen Satellitensignalen

Navigationssystem
Ein neues Positionierungssystem auf Basis von Mobilfunk und Glasfaserleitungen könnte die Navigation in Städten präziser und verlässlicher machen. © TU Delft/ Stephan Timmers

Mobilfunk statt Satelliten: Ein neuartiges Ortungssystem könnte künftig das Navigieren in Städten und Innenräumen verlässlicher und präziser machen – und das gängige GPS-System ersetzen. Denn das neue TNPS-System nutzt den lokalen Mobilfunk und das Glasfasernetz, um eine bis auf zehn Zentimeter genaue Ortung selbst zwischen Hochhäusern zu gewährleisten. Möglich wird dies durch die Nutzung von zeitsynchronisierten Gigahertzsignalen, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.

Ob übers Handy oder das Navi im Auto: Längst sind wir es gewohnt, uns im Alltag mithilfe des GPS-Systems zu orientieren. Diese Ortung geschieht über den Laufzeitvergleich der Signale, die von mehreren GPS-Satelliten am Empfänger ankommen. Allerdings haben diese Satelliten-Navigationssysteme einige Nachtteile: Sie sind nur bis auf rund zwei Meter genau und funktionieren in dicht bebauten Städten, in tiefen Tälern oder Innenräumen oft gar nicht – weil die Satellitensignale dort blockiert oder gestreut werden.

Schon länger tüfteln Forschende daher an Ortungssystemen, die ohne Satelliten auskommen und auch in Innenräumen oder Tiefgaragen nutzbar sind. Einige setzen dabei auf spezielle Funksticks, andere auf eine Kombination von Mobilfunk und WLAN.

Mobilfunk plus Glasfaser

Jetzt gibt es eine neue Technologie zur satellitenfreien Navigation. Das von Jeroen Koelemeij von der Freien Universität Amsterdam und seinem Team entwickelte „Terrestrial Networked Positioning System (TNPS) kombiniert die Allgegenwart der Mobilfunksignale mit einem Laufzeit-basierten Ortungsprinzip ähnlich dem des GPS-Systems – aber ohne Satelliten. Während diese Atomuhren nutzen, um eine bis auf Sekundenbruchteile genaue Synchronisation ihrer Signale zu erreichen, war dies mit Mobilfunksignalen bisher nicht möglich.

Abhilfe schafft nun die Ergänzung der Mobilsignale durch das in vielen Städten und Regionen schon vorhandene Glasfasernetz. Dieses dient beim neuen Ortungssystem der zeitlichen Synchronisierung der Mobilfunkantennen. Dafür werden sie durch ein Gerät ergänzt, das seine interne Uhr über die Glasfaserleitungen mit einer zentralen Referenzuhr abgleicht. Eine spezielle Software und Messsignale ermitteln dabei ständig, ob es im Glasfasernetz Verzögerungen gib und beziehen diese in die Synchronisation mit ein.

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Das Ergebnis sind Mobilfunksignale, die bis auf Nanosekundenbruchteile genau miteinander synchronisiert sind. In einer Testanlage auf dem Campus der TU Delft lag die zeitliche Unsicherheit bei rund 0,2 Nanosekunden, wie Koelemeij und sein Team berichten. Da ein Fehler von einer Nanosekunde schon einer räumlichen Verschiebung um 30 Zentimeter entspricht, ist eine solche Präzision entscheidend für die korrekte Positionsbestimmung.

Multiplexing und hohe Bandbreite

Die zweite Komponente des neuen Ortungssystems sind die Mobilfunksignale selbst. Anders als die langwelligeren Radiosignale der GPS-Satelliten arbeiten die 4G- und 5G-Netze im Gigahertzbereich. Das TNPS verwendet daher eine Mobilfunk-Trägerwelle von 3,6 Gigahertz und nutzt dann eine als OFDM- Multiplexing bezeichnete Technologie, um das eigentliche Signal auf verschiedene Frequenzbänder in einem Bereich von 160 Megahertz Breite zu verteilen. „Wir nutzen eine Reihe von schmalbandigen Signalen, die über eine große virtuelle Bandbreite verteilt sind“, erklärt Gerard Janssen von der TU Delft.

Dies hat gleich zwei Vorteile: Die gegenüber GPS-Signalen höhere Bandbreite ermöglicht es den Empfängerstationen, Störeffekte durch Gebäude oder andere Hindernisse zu erkennen und herauszurechnen. „Sie können diese verwirrenden Signalreflexionen aussortieren und das ermöglicht eine höhere Präzision bei der Positionsbestimmung“, erklärt Janssen. Im Praxistest gelang dem Team im urbanen Umfeld dadurch eine bis auf zehn Zentimeter genaue Ortung.

Backup fürs GPS in Ballungsräumen

Nach Ansicht der Forschenden eröffnet diese Technologie neue Chance, die Positionsbestimmung gerade in dicht besiedelten Ballungsräumen deutlich zu verbessern – und dies auf Basis existierender Systeme. „Wir haben mit TNPS erfolgreich ein System entwickelt, dass eine ähnliche Konnektivität wie Mobilfunk und WiFi-Netzwerk hat, aber eine akkurate Positionsbestimmung und Zeitsynchronisation wie das GPS“, sagt Koelemeij. Damit könnte das System als Backup und Ergänzung zu gängigen Satellitennavigationssystemen dienen.

Wie das Team erklärt, sind die für ihr TNPS verwendeten Technologien ohne großen Aufwand in gängige Mobilfunknetze integrierbar. Denn die Signale liegen in bisher kaum genutzten Frequenznischen des Mobilfunkspektrums. Die zur Zeitsynchronisation eingesetzten Protokolle sind zudem standardisiert, kommerziell erhältlich und mit den Wellenlängen der gängigen Glasfasersignale kompatibel. „Solche Signale wurden schon in überregionale optische Netzwerke integriert, die parallel große Datenmengen übertragen haben“, berichten Koelemeij und seine Kollegen.

„Unsere Arbeit eröffnet einen Blick in eine Zukunft, in der Telekommunikations-Netzwerke nicht nur Datenverbindungen ermöglichen, sondern auch eine vom Global Positioning System unabhängige Zeit und Positionsbestimmung mit beispielloser Präzision und Verlässlichkeit“, konstatieren die Wissenschaftler. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05315-7)

Quelle: Delft University of Technology

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