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Technik

Ein Kassettenrekorder für das Synchrotron

Neue Methode erleichtert das "Filmen" von Proteinstrukturen im Röntgenstrahl

ESRF
Die Röntgen-Durchleuchtung von Proben an der der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) wird nun einfacher – dank eines Bandlaufwerks für Proben. © Rama /CC-by-sa 2.0

Am laufenden Band: Eine neue Methode erleichtert es, Schnappschüsse schnell ablaufender Reaktionen zu erhalten oder fragile Proteinstrukturen mittels Röntgenstreuung zu analysieren. Möglich wird diese serielle Kristallografie durch eine Art Kassettenabspielgerät: Ein perforiertes Polymerband dient als Probenträger, das die Proteine oder andere biochemische Proben am Röntgenstrahl vorbeitransportiert. Dies macht eine Art „Stop-Motion“-Aufnahme dynamischer Prozesse möglich.

Ob die Struktur von Proteinen, der Ablauf chemischer Reaktionen oder die Geheimnisse der Wassermoleküle: Einblicke in das Reich der Moleküle gewinnen Forschende heute oft mithilfe von Röntgenlasern und anderen hochpräzisen Röntgenquellen. Um beispielsweise die Struktur eines Proteins oder auch eines exotischen Kristalls aufzuklären, durchleuchtet man die Proben mit dieser Strahlung und analysiert das resultierende Streuungsbild.

Um jedoch durch die Röntgenkristallografie die dreidimensionale Struktur eines Probenkristalls zu erfassen oder dynamische Abläufe einzufangen, benötigt man Aufnahmen aus allen Blickwinkeln, was jedes Mal ein aufwändiges Auswechseln der Probe im Synchrotronstrahl erfordert.

Ein Bandlaufwerk für Kristalle

Abhilfe schafft nun ein neues Gerät, das Proben buchstäblich am laufenden Band in das Synchrotron befördert. Der von Forschenden der Technischen Hochschule Lübeck entwickelte „Blotting Tapedrive“ funktioniert im Prinzip ähnlich wie ein Kassettenabspielgerät: Ein perforiertes Polymerband läuft in ständiger Bewegung durch den Röntgenstrahl. Vor dem Strahl wird das Band laufend mit frischen Mikrokristallen der Probensubstanz beschickt.

Kurz vor der Röntgenzone streift ein zweites Band die Lösungsflüssigkeit ab. Dadurch bleiben in den Löchern des Bands nur noch die „nackten“ Kristalle der Probensubstanz übrig, die nun vom intensiven Röntgenstrahl durchleuchtet werden können. In einem ersten Anwendungstest wird der neue Blotting Tapedrive jetzt an einem Strahlgang der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, dem größten Elektronensynchrotron Europas, eingebaut.

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Installation am Europäischen Röntgensynchrotron

Wissenschaftler können nun den Blotting-Tapedrive nutzen, um mithilfe dynamischer, schnell hintereinander aufgezeichneter Schnappschüsse molekulare Vorgänge zu „filmen“ oder dreidimensionale Strukturen von Kristallen in einem Messdurchgang einzufangen. Auch das Team der TH Lübeck plant damit bereits Analysen verschiedener Proteine und ihrer Reaktionen.

„Unser Ziel ist es, zeitaufgelöste Strukturänderungen, die durch Lichtaktivierung, Ligandenmischung oder pH-Sprünge in den kristallisierten Proteinen induziert werden, sehr schnell und mit einem hohen Signal-Rausch-Verhältnis zu untersuchen“, erklärt Mia Lahey-Rudolph von der TH Lübeck. Das liefert nicht nur neue Einblicke in die Biologie, sondern kann zum Beispiel auch die Grundlage für die Entwicklung maßgeschneiderter Medikamente bilden.

Quelle: Technische Hochschule Lübeck

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