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Nanotechnologie

Eigenschaften von Biomolekülen vorhersagbar

Modell erleichtert maßgeschneiderte Produktion biologischer Nanomaterialien

Faltenstruktur eines Alzheimerproteins im Modell © Universität Stuttgart

Wissenschaftler haben erstmals ein Modell entwickelt, mit dem sich die Festigkeit und Robustheit von biologischen Nanostrukturen vorhersagen lässt. Das Modell beruht auf Berechnungen der fundamentalen Bruchmechanismen der Materialien und erleichtert die Entwicklung von Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften. Über die Arbeit berichtet die renommierte Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ als Titelthema.

Warum ist Spinnenseide stärker als Stahl? Was macht Knochen so fest und verformbar zugleich? Wieso können Zellen auf ein vielfaches ihrer ursprünglichen Länge reversibel verformt werden? Und welche molekularen Mechanismen führen zu mechanischen Fehlfunktionen von Proteinen, was bei Krankheiten wie Alzheimer, vorzeitiger Alterung oder degenerativen Muskelerkrankungen eine zentrale Rolle spielt? Die Ursache all dieser Phänomene sind intelligente, multifunktionale biologische Nanostrukturen.

Verhalten auf Atomebene analysiert

Die Eigenschaften dieser Strukturen wollen Wissenschaftler entschlüsseln, um sie in Form neuer Materialien für den Menschen nutzbar zu machen oder auf neuen Wegen genetische Krankheiten zu heilen. Dabei verfolgt eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Professor Markus Buehler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Theodor Ackbarow, Austauschstudent der Uni Stuttgart am MIT, einen Ansatz, bei dem das mechanische Verhalten auf atomarer Ebene durch Simulationen auf Hochleistungscomputern untersucht wird und Rückschlüsse auf makroskopische Beobachtung gezogen werden.

Dabei ist jetzt ein Durchbruch gelungen. Zum ersten Mal konnten auf atomarer Ebene Deformationsmechanismen von Proteinmaterialien im Cytoskelett der Zelle und in Amyloid-Fasern, wie sie bei Alzheimer vorkommen, erklärt werden. „Das Besondere an biologischen Proteinmaterialien ist, dass sie meist aus sehr ‚weichen‘ Wasserstoffbrückenbindungen aufgebaut sind“, erklärt Ackbarow. Dennoch erreichen biologische Materialien hohe Festigkeiten, ähnlich derer von Glas oder Stahl.

Hierarchische Strukturen als Schlüssel

Forschungsergebnisse zeigen, dass die Existenz von hierarchischen Materialstrukturen von Nano zu Makro der Schlüssel zum Erreichen dieser außergewöhnlichen Eigenschaften ist. Die hierarchischen Strukturen erlauben es, scheinbar widersprüchliche Materialeigenschaften wie Festigkeit und Robustheit oder Selbstheilung und Selbstadaptation miteinander zu vereinen und zudem die schwachen chemischen Bindungen zu verstärken. Dadurch ist es möglich, trotz schwacher chemischer Bindungen belastbare, sich ständig an die Umgebung anpassende Materialien zu erzeugen.

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„Wir konnten nachweisen, wie in biologischen Materialien Hierarchien als eine weitere Designvariable verwendet werden, um den Konflikt zwischen Robustheit und Festigkeit, der in synthetischen Materialien vor-liegt, aufzuheben“, so Prof. Buehler. „Dies eröffnet neue Wege zur Materialsynthese und wird zum Verständnis vieler Krankheiten beitragen.“

Vorhersage für mechanische Eigenschaften von Proteinstrukturen

Die Forscher haben beobachtet, dass aufgrund der hierarchischen Struktur je nach Verformungsgeschwindigkeit verschiedene Deformations- und Bruchmechanismen auftreten. Wenn sich zum Beispiel eine Zelle aktiv verformt, treten Mechanismen auf, die dafür sorgen, dass das Gewebe weich bleibt und somit die Verformungen unter minimalem Energieauf-wand möglich sind. Wirkt hingegen eine Schocklast auf das Gewebe ein, werden andere Bruchmechanismen aktiviert, die zu einer lokalen Verfestigung des Materials führen.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen konnten die Forscher erstmals ein Festigkeitsmodell entwickeln, das es ermöglicht, ausschließlich aufgrund der Eigenschaften der chemischen Verbindungen und der Geometrie der Moleküle die mechanischen Eigenschaften von Proteinstrukturen vorherzusagen. Das ist der erste Schritt, um biologische Materialien zu entwickeln, die sich nicht nur selbst einer Belastung anpassen oder sich selbst regenerieren können, sondern auch bei moderaten Temperaturen herzustellen sind.

(Universität Stuttgart, 10.10.2007 – NPO)

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