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Physik

Edelgas auf dem Prüfstand

Neue Messung entlarvt bisherige Werte für Polarisierung von Neon als ziemlich falsch

Kryostat-Einsatz mit Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometer, das Herzstück des Tieftemperatur-Experimentes zur Bestimmung der Eigenschaften von Neon. © PTB

Forscher haben mit einem neuen Verfahren die Polarisierbarkeit des Edelgases Neon erstmals seit 40 Jahren genau bestimmt. Die neue Messung zeigt, dass die alten Werte falscher waren als gedacht, neue theoretische Modelle aber ziemlich richtig liegen. Bedeutung hat die neue Methode auch für die Überprüfung theoretischer und praktischer Messungen bei anderen Elementen.

Je besser der „Steckbrief“ eines Elementes bekannt ist, umso besser lässt sich auch sein Verhalten im praktischen Einsatz, etwa in der chemischen Industrie, verstehen und steuern. In den letzten Jahren sind solche „Steckbriefe“ immer häufiger aufgrund von theoretischen Modellen entstanden. Ob sie die Wirklichkeit auch gut abbilden, lässt sich jetzt mit einer Methode überprüfen, die nur in der messtechnischen Spitzenforschung zu finden ist, in Deutschland in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB).

Vorherige Messungen falscher als gedacht

Wissenschaftlern der PTB ist es nun gelungen, präziser als je zuvor zu bestimmen. Um dies zu erreichen, nutzen die Physiker die Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometrie, ein Verfahren, bei dem die relative Kapazitätsänderung eines Kondensators durch das Messgas bestimmt wird. Die Messung der molaren statischen Polarisierbarkeit von Neon erfolgte mit der bisher unerreichten relativen Unsicherheit von nur 0,00001.

Der ermittelte Wert zeigt, dass die letzen praktischen Messungen dieser Größe, die 40 Jahre zurück liegen, deutlicher falscher sind, als nach der angegebenen Unsicherheit zu erwarten wäre. Im Gegensatz dazu zeigt der neue Wert der PTB eine nahezu perfekte Übereinstimmung mit neuesten theoretischen Werten. Die Messunsicherheit des Experimentes ist noch um fast zwei Größenordnungen geringer als die der genauesten theoretischen Berechnungen.

Neben der zentralen Bedeutung der Größe Polarisierbarkeit im Zusammenhang mit fundamentalen Wechselwirkungen, zum Beispiel als Schlüsselgröße bei der sehr schwachen Van-der-Waals- Wechselwirkung, hat diese Bestimmung auch für die theoretische Chemie große Bedeutung. Denn das Verfahren nutzt nicht nur in diesem speziellen Fall, sondern mit ihm lassen sich auch bei anderen grundlegenden Eigenschaften und auch bei anderen Elementen die entsprechenden theoretischen Modelle überprüfen.

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Chance für neue Basisgröße der Temperatur

Daneben hat die experimentelle Bestimmung der Polarisierbarkeit von Neon auch eine große praktische Bedeutung für die Bestimmung einer Fundamentalkonstante, nämlich der Boltzmann-Konstante, die für die Thermodynamik von grundlegender Bedeutung ist. Im Boltzmann-Projekt der PTB soll die bisherige Definition der Basiseinheit der Temperatur im Internationalen Einheitensystem (SI), Kelvin, auf eine noch solidere Grundlage gestellt werden. Zurzeit dient der sogenannte Tripelpunkt von Wasser, also jene Temperatur, bei der Wasser gleichzeitig fest, flüssig und gasförmig vorliegt, als Bezug.

In ein paar Jahren könnte die Boltzmann-Konstante der Bezugspunkt werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Polarisierbarkeit des Messgases. Bisher ist dies Helium, das als einzige Atomsorte eine Berechnung der Polarisierbarkeit auf dem notwendigen geringen Unsicherheitsniveau zuließ. Nach den neuesten Messungen an Neon, das eine höhere Polarisierbarkeit besitzt, haben die Physiker erstmals ein zweites Messgas zur Verfügung. Es ermöglicht unerlässliche Konsistenzchecks bei der Messung der Boltzmann-Konstante am Wassertripelpunkt.

Die Erfahrungen lassen sich auf andere Moleküle und andere physikalische Größen wie z. B. Wärmeleitfähigkeit und Viskosität übertragen.

(Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), 26.07.2010 – NPO)

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