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Technik

Digitaler Detektiv erkennt falsche Töne

Neue Technologie spürt gefälschte und manipulierte Audiodateien auf

Töne können in einem charakteristischen Profil visualisiert werden © MMCD

„Das ist alles nur geklaut“ – Nicht nur in der Musikbranche kursieren gefälschte Audiodateien, auch manipulierte Sprachmitschnitte stellen ein Problem dar. Doch dank zweier neuentwickelter Software-Tools, können gefälschte Töne in Zukunft schnell und effizient enttarnt werden. Diese digitalen Audio-Detektive vergleichen automatisch Tonspuren und fahnden nach verräterischen Anzeichen für nachträgliche Bearbeitung. Für die Musikbranche, aber auch für Medien sind diese Systeme künftig wertvolle Helfer.

Die Musikbranche ist schnelllebig und hart umkämpft. Immer wieder tauchen deshalb Musikplagiate auf. Ganze Abschnitte werden aus bestehenden Liedern übernommen, etwas verändert und fertig ist der neue Song. Mühselig ist es bislang, diese Fälschungen aufzudecken. Doch nicht nur Musikstücke, auch Sprachmitschnitte können sich als Fälschungen entpuppen. Mit dem Smartphone ist es heutzutage leichter denn je Aussagen mitzuschneiden. Diese können brisante Informationen enthalten und mit steigender Menge an kursierenden Audiodateien steigt auch die Anzahl an Fälschungen.

Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) in Ilmenau haben gleich zwei neue Technologien für den Kampf gegen Audio-Fälschungen entwickelt: Eine davon könnte in Zukunft das Enttarnen von Musikplagiaten, die andere das von manipulierten Sprachmitschnitten schneller und effektiver machen.

Geklaute Melodien können automatisch erkannt werden

Der Gutachter spult ein weiteres Mal zurück. Ist der Refrain des Liedes nun ein Plagiat oder nicht? Er kneift die Augen zusammen. Äußerste Konzentration. Der Musikexperte drückt noch einmal den Startknopf, prägt sich Melodien und Töne ein. Jetzt ist er sich sicher: Der vermeintliche Komponist hat nicht nur die Melodie, sondern ganze Teile des Originalsongs abgekupfert.

Die Wissenschaftler haben nun mathematische Algorithmen entwickelt, die das Enttarnen von Plagiaten in Zukunft deutlich vereinfachen sollen. Diese Algorithmen erfassen das Tonspektrum, also sozusagen die Melodie, eines Songs automatisch. Innerhalb weniger Sekunden vergleicht dann der „PlagarismAnalyzer“, wie das neue Tool heißt, die Tonspektren von Original und Kopie. Automatisch erkennt die Software so Musikplagiate und löscht geklaute Liedbausteine heraus. „Bei besonders dreisten Tondieben bleibt im Extremfall bis auf die letzte Tonspur nichts mehr vom Musikstück übrig“, erklärt Dittmar. „In so einem Fall herrscht bei uns Stille.“

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Aktuell dauert es circa fünf Sekunden bis eine zehn-sekündige Originalsequenz in einem 30-sekündigen Musikstück aufgespürt wird. In Zukunft planen die Forscher ihre Technologie noch weiter zu beschleunigen. „Wir bündeln die Stärken aller bisher entwickelten Technologien, um auch größere Datenmengen schnell analysieren zu können“, so Dittmar.

Mit der Software von Fraunhofer können Journalisten in wenigen Sekunden überprüfen, ob Audiomitschnitte echt sind. © Fraunhofer IDMT

Gefälschte Audiomitschnitte hinterlassen Spuren

Auch Patrick Aichroth vom IDMT ist auf der Spur von manipuliertem Aufnahmematerial. Bei ihm geht es jedoch nicht um Musik, sondern um Audiodateien ganz generell – zum Beispiel Sprachmitschnitte von Smartphones. Vor Patrick Aichroth malen zwei Audioaufnahmen ihre charakteristische Wellenform auf den Computerbildschirm. Ein optisches Signal zeigt verdächtige Positionen im Material an. Er und sein Team nutzen verschiedene Techniken, um Manipulationen zu identifizieren.

„Bearbeitungsschritte wie Schnitte, En- oder Dekodierung hinterlassen Spuren in den Audiodateien. Diese lassen sich an einer veränderten elektrischen Netzspannung (ENF), dem Wechsel des eingesetzten Mikrofons oder über den inversen Decoder aufspüren“, erklärt Aichroth. Genau das sind die Spuren, nach denen die Wissenschaftler die Audiodateien durchforsten. Den inversen Decoder haben die Forscher am IDMT entwickelt. Er kann aufspüren, mit welchem Format und welchen Parametern die Originaldatei ursprünglich kodiert war, wie etwa dem MP3-Format. Ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Ursprungs-Formaten kann so entlarvt werden.

Einsatzmöglichkeiten des Audio-Detektivs

Gutachter von Plagiatsprozessen könnten von den neuen Technologien profitieren, aber auch Redakteure, Ermittler oder Archivare, meinen die Wissenschaftler. Aichroth beschreibt zwei Situationen, bei denen ihr Audio-Detektiv helfen könnte: Großraumbüro in einer deutschen Redaktion. Die Journalisten bekommen kurz vor Redaktionsschluss brisantes Audiomaterial in die Hand. Das gäbe der Titelstory eine neue Tonalität. Entscheidende Frage: Sind die Aufnahmen authentisch? Oder folgende Szene: Der Polizei liegen mehrere Handymitschnitte vor, die den Hauptverdächtigen schwer belasten. Auch hier brauchen die Beamten eine schnelle erste Einschätzung: Sind die Aufnahmen echt oder manipuliert?

(Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT, 06.03.2014 – KEL)

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