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Bildung

Die Science-Top Ten des Jahrzehnts

Wissenschaftsmagazin "Science" kürt die zehn bedeutendsten Errungenschaften seit 2000

"Science" kürt die Errungenschaften der Dekade © Science / AAAS

Was waren die bedeutendsten Erkenntnisse, Entdeckungen und Entwicklungen der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts? Diese Frage haben sich auch die Redakteure des Wissenschaftsmagazins „Science“ gestellt. Sie kürten jetzt die zehn wichtigsten Errungenschaften des letzten Jahrzehnts. Die Spanne reicht dabei von der Kosmologie über Genetik und Medizin bis hin zu Paläontologie und Klimaforschung.

Welche wissenschaftlichen Fachrichtungen sind in den letzten zehn Jahren besonders stark vorangekommen, wo lagen die Durchbrüche? Die „Science“-Mitarbeiter haben versucht, diese Frage aus ihrer Sicht zu beantworten. Ihre Durchmusterung der Archive für die letzte Dekade ergab eine bunte Mischung von Erkenntnissen und wissenschaftlichen Fortschritten, die jeweils die Sichtweisen und Basis ihrer Fachrichtungen für immer verändert haben. Hier die zehn Gekürten:

„Junk”-DNA: Die vergessene Seite des Genoms

Lange Zeit richtete sich das Augenmerk der Genetiker ausschließlich auf 1,5 Prozent unseres Erbguts – die Genen, die Proteine kodieren. Der Rest sei nur Datenmüll, nutzlose „Junk“-DNA, so die geltende Lehrmeinung. Doch mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 ist klar geworden, dass dem nicht so ist. Denn schnell zeigten Vergleiche mit dem Genom anderer Tierarten, dass auch von dieser „Junk“-DNA weite Bereiche in der Evolution nahezu unverändert konserviert wurden. Das lässt sich aber nur erklären, wenn diese Bereiche eine Funktion besitzen, die für den jeweiligen Organismus wichtig ist. Tatsächlich entdeckten Wissenschaftler in den letzten Jahren unter anderem, dass diese Regionen RNA erzeugen, die wichtige Regulationsfunktionen übernehmen.

Kosmologie: Entdeckung der „dunklen“ Seite des Universums

Das letzte Jahrzehnt hat auch in unserem Bild des Kosmos entscheidende Fortschritte gebracht. So scheint heute klar, dass das Universum höchstwahrscheinlich aus drei Komponenten besteht: der normalen Materie, der so genannten Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Indizien dafür brachten die in den letzten Jahren immer genaueren Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung des Kosmos, des so genannten Mikrowellen-Hintergrund (CMB). Winzige Schwankungen in der Verteilung dieser Strahlung geben Rückschlüsse auf die Materiedichte und Verteilung kurz nach dem Urknall. Diese Daten passen erstaunlich genau in die theoretischen Modelle der Astrophysiker und Kosmologen, wenn die beiden „dunklen“ Komponenten mit einbezogen werden.

Zwischen Mythos und Wiedergeburt: das Mammut. © MMCD/NOAA

Paläontologie: Fossile Biomoleküle eröffnen Fenster in die Urzeit

In der Paläontologie gibt es heute ganz neue Möglichkeiten, zurück in vergangene Lebenswelten zu schauen als nur Knochen und andere Fossilien. Eröffnet wurden sie durch die Entdeckung, dass fossile Biomoleküle wie DNA oder das Kollagen in urzeitlichen Knochen auch noch nach zehntausenden von Jahren wieder zum Leben erweckt werden kann. In diesem Jahrzehnt gelang es Forschern unter anderem, das Genom von Mammuts, eiszeitlichen Höhlenbären und auch des Neandertalers aus fossiler DNA zu rekonstruieren. Millionen Jahre lang konservierte Farbpigmente in der Haut von Dinosauriern gaben Aufschluss über Haut- und Federfarben der Urzeittiere und das Kollagen in der Haut des Tyrannosaurus bot wertvolle Informationen über Biologie und Evolution der Riesenechsen.

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Sonnensystem: Wasser auf dem Mars

In den letzten zehn Jahren haben gleich ein halbes Dutzend Missionen zum Roten Planeten klare Belege dafür geliefert, dass der Mars einst ausreichend flüssiges Wasser besaß, um die Landschaft zu formen und möglicherweise doch auch einfaches Leben entstehen zu lassen. Diese feuchte Zeit ist allerdings bereits Milliarden Jahre her. Aber auch heute gibt es noch Spuren flüssigen Wassers unter der Oberfläche des Planeten, wie der Marslander „Phönix“, aber auch der Marsrover „Spirit“ feststellten.Noch gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass es einst Leben auf dem Roten Planeten gegeben hat, aber die Chancen dafür sind auf jeden Fall gestiegen.

Biotechnologie: Reprogrammierung von Zellen

Die Embryonalentwicklung und mit ihr die Differenzierung von Zellen von der alles könnenden embryonalen Stammzelle hin zur spezialisierten Körper- oder Keimzelle galt lange Zeit als Einbahnstraße: Einmal ausgereift führtkein Weg mehr zurück in den pluripotenten Zustand. Doch inzwischen hat sich herausgestellt, dass dies ein Irrtum ist. Wissenschaftlern ist es inzwischen mit gleich mehreren unterschiedlichen Verfahren gelungen, adulte Zellen zurückzubringen in den Zustand der Undifferenziertheit. Diese induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) machen die umstrittenen Gewinnung von embryonalen Stammzellen überflüssig und eröffnen neue Möglichkeiten in der Forschung, aber auch der Medizin.

Das Mikrobiom: Der Mensch als Lebensraum

Lange Zeit galten Bakterien und Viren nur als Feinde, Träger gefährlicher Infekte oder bestenfalls als lästige Mitbewohner. Doch in den letzten Jahren hat sich diese Sicht gründlich gewandelt – unter anderem durch zahlreiche Studien der Wechselbeziehungen „unserer“ Mikroben mit unserem Körper und Immunsystem. Immerhin sind eine von zehn Zellen unseres Körpers mikrobiell, in unserem Verdauungstrakt alleine leben mehr als 1.000 verschiedenen Bakterienarten. Ihr Stoffwechsel und ihre Gene interagieren mit unseren und beeinflussen unter anderem unseren Energiehaushalt und unser Immunsystem.Inunserem Genom wiederum finden sich acht Prozent Virengene und noch mehr Fragmente viraler Herkunft. Längst sehen Forscher uns Menschen als Superorganismus, als eng verzahnte Gemeinschaft von Mikrobe und Mensch.

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Exoplaneten: Immer mehr, immer kleiner

Im Jahr 2000 waren gerade erst 26 Planeten außerhalb unseres Sonnensystemsbekannt. Heute sind es bereits mehr als 500 – Tendenz steigend. Den Durchbruch dabei brachte die Entwicklung neuer Techniken zur Planetenfindung. Zuvor gab es nur die Doppler-Spektroskopie, inzwischen aber nutzen Astronomen vor allem die Transitmethode, die das leichte Abdimmen des Sternenlichts durch einen vor ihm vorbeiziehenden Planeten misst. Aber auch die ersten direkten Aufnahmen von Exoplaneten gibt es bereits. Mit Hilfe moderner spektrometrischer Analysen können Forscher heute nicht nur die Masse und Temperatur der Planeten besser bestimmen, auch die Zusammensetzung der Atmosphären. Die schiere Vielfalt der bisher entdeckten Planetensysteme hat bereits dazu geführt, dass Theorien zur Bildung und Entwicklung solcher Systeme revidiert werden mussten und dies möglicherweise auch in Zukunft weiter der Fall sein wird.

Metamaterialien:Lichttricks und Tarnkappen

Tarnkappen gibt es nicht und Licht kann nur positive Brechungsindizes einnehmen – bis vor wenigen Jahren waren dies fast selbstverständliche Dogmen der optischen Physik. 2001 dann entwickelten amerikanische Physiker erstmals ein Material, das einen negativen refraktiven Index für Mikrowellen aufwies. Wenige Jahre später postulierten andere Forscher, dass es theoretisch möglich ist, eine Tarnkappe zu erzeugen, ein Material, das Licht so umleitet, dass ein darin eingehülltes Objekt unsichtbar wird. Solche Tarnkappen, erst für Mikrowellen, später dann auch für Infrarotstrahlung und sichtbares Licht sind inzwischen bereits im Labormaßstab entwickelt worden.

Klimawandel: Klare Fakten aber kein Handeln

Im letzten Jahrzehnt haben Klimaforscher einige der fundamentalen Fakten des Klimawandels auf eine noch sicherer Basis gestellt. Die Welt wird wärmer, die Treibhausgas-Emissionen des Menschen sind die Ursache dafür und diese Entwicklung wird nicht durch natürliche Prozesse ausgeglichen – diese drei Kernpunkte haben die Forschungen der letzten Jahre geklärt. Unangenehme Überraschung brachte die Erkenntnis, dass sich die menschengemachten Veränderungen weitaus schneller auf Ozeane, Polargebiete und Atmosphäre auswirken als angenommen. Unerwartet für die Forscher war auch die Weigerung der Politiker und Staaten, auf Basis dieser Daten zu handeln. Noch immer ist ein internationales Klimaschutzabkommen „Post-Kyoto“ nicht in Sicht, und dies, obwohl mittlerweile selbst das anvisierte Zwei-Grad-Ziel der maximalen Erwärmung kaum mehr zu halten sein wird.

Entzündung: Treibstoff für chronische Krankheiten?

Vor nicht allzu langer Zeit galt eine Entzündung als positiv, als Helfer im Heilungs- und Abwehrprozess unseres Körpers. Inzwischen jedoch zeichnet sich ein anderes Bild ab: In den letzten Jahren haben zahlreiche Studien enthüllt, dass Entzündungen auch eine dunkle Seite haben: Sie gelten heute als die treibende Kraft hinter vielen chronischen Erkrankungen, von Krebs über Alzheimer bis hin zu Diabetes und Arteriosklerose. Einige Studien haben inzwischen sogar gezeigt, dass die Eindämmung oder Blockade der Entzündung und ihrer Hilfsstoffe Diabetes und andere Krankheiten signifikant bessern kann.

(Science / AAAS, 30.12.2010 – NPO)

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